Nikolai Baibakov
1911–2008
Zum 100. Geburtstag von Nikolai Baibakov, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR und Vorsitzenden des Staatlichen Planungskomitees der UdSSR, einem namhaften Staatsfunktionär, der an der Wiege der Öl- und Gasindustrie gestanden hat
Nikolai Baibakov wurde am 6. März 1911 im Dorf Sabuntschi, das später in die Stadt Baku eingegliedert worden ist, geboren. Er stammte aus einer Arbeiterfamilie, die auf den Ölfeldern von Baku tätig war.
1932 absolvierte er die Aserbaidschanische Erdölhochschule in der Fachrichtung Bergingenieur für Ölfelder. Seit Januar 1932 arbeitete er als Ingenieur auf Ölfeldern in Baku. Dort schlug er ein neues Verfahren vor, in dem Zement in Wasserschichten eingepresst wird und das später den Namen „Baibakov-Methode“ erhielt.
1935 bis 1937 diente er in der Roten Armee im Fernen Osten.
Im Januar 1937 wurde er Ingenieur, im Juli desselben Jahres Chefingenieur und im März 1938 Geschäftsführer der Betriebsvereinigung Leninneft in Baku. Im August desselben Jahres wurde Nikolai Baibakov Geschäftsführer des Verbandes Vostokneftedobycha in Kuibyschew.
1939 übernahm er die Leitung der Hauptverwaltung für Erdölförderung im Osten beim Volkskommissariat für Brennstoffindustrie der UdSSR. 1940 wurde aus dem Volkskommissariat für Brennstoffindustrie das Volkskommissariat für Erdölindustrie ausgegliedert, und Nikolai Baibakov wurde stellvertretender Volkskommissar.
1942 war Nikolai Baibakov für die Vernichtung von Ölbohrungen und Ölraffinerien in der Kaukasischen Region zuständig. Damit wurde er von Josef Stalin persönlich beauftragt. „Genosse Baibakov, Hitler dringt in den Kaukasus vor. Er hat verkündet, er würde den Krieg verlieren, wenn er das Erdöl im Kaukasus nicht an sich reiße. Tun sie alles, was nötig ist, damit die Deutschen keinen Tropfen Erdöl abkriegen. Und denken Sie daran: Wenn Sie den Deutschen auch nur eine Tonne Erdöl überlassen, erschießen wir Sie“, sagte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Wenn Sie die Erdölfelder vernichten und Hitler nicht näher rückt, wir aber ohne Brennstoff bleiben, dann erschießen wir Sie ebenfalls.“ „Sie lassen mir keine Wahl, Genosse Stalin“, konnte Baibakov daraufhin nur erwidern. „Sie haben die Wahl“, antwortete Stalin und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe.
Nikolai Baibakov bildete eine Gruppe, der erfahrene Ingenieure der Erdölindustrie und Sprengmeister angehörten. Es wurde beschlossen, alle wertbeständigen Anlagen zu demontieren und zu evakuieren sowie wenig ergiebige Bohrungen lahmzulegen, sofern der Feind sich nähert. Dabei wurden reichhaltige Erdölbohrungen weiterhin betrieben und erst im letzten Moment stillgelegt.
Im November 1944 wurde Nikolai Baibakov zum Volkskommissar für Erdölindustrie der UdSSR ernannt. Seit März 1946 war er Minister für Erdölindustrie in südlichen und westlichen Regionen der UdSSR.
Von Dezember 1948 bis Mai 1955 war er als Minister für Erdölindustrie der UdSSR tätig. Durch die Ausbeute der größten Lagerstätten in der Ural- und Wolga-Region (vor allem der Erdöllagerstätte Romaschkinskoje in Tatarstan) legte die Erdölförderung in der Sowjetunion in jener Zeit drastisch zu. Unter Leitung von Nikolai Baibakov kamen viele fortgeschrittene technologische Prozesse zum Einsatz, wodurch die Produktivität von Erdölschichten gesteigert werden konnte.
Im Mai 1955 trat Nikolai Baibakov das Amt des Vorsitzenden der Staatskommission für Zukunftsplanung in der Volkswirtschaft beim Ministerrat der UdSSR an.
Im Mai 1957 übernahm er das Amt des Vorsitzenden des Staatlichen Planungskomitees der RSFSR und des stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates der RSFSR an.
Nikolai Baibakov vermochte es nicht, sich auf die Arbeitsweise von Nikita Chruschtschow, dem Ersten Sekretär des ZK der KPdSU, einzustellen. Er war Gegner der von Chruschtschow eingeleiteten Umwandlung von Ministerien in die Volkswirtschaftsräte. Schließlich wurde Nikolai Baibakov auf einen niedrigeren Posten herabgestuft und zum Leiter des Volkswirtschaftsrates Krasnodar ernannt. Dennoch legte er auch in der Provinz seine Begabung als Führungskraft an den Tag: Dank seiner Hartnäckigkeit war es 1964 gelungen, das Öltanklager Schescharis im Hafen von Noworossijsk termingerecht in Betrieb zu nehmen. Es war der größte Erdölterminal in Europa, der für die Entwicklung der Erdölindustrie in der Sowjetunion und für den Einstieg in den Weltmarkt von strategischer Bedeutung war. Innerhalb von dreißig Jahren – zwischen 1964 und 1996 – hat sich das Öltanklager Schescharis zu der landesweit größten Drehscheibe für Exporte entwickelt. Sie hat einen Umschlag von mehr als 50 Millionen Tonnen Erdöl und Raffinerieprodukte jährlich, die in 23 Länder der Welt geliefert werden.
1963 trat Nikolai Baibakov das Amt des Vorsitzenden des Volkswirtschaftsrates Nordkaukasus an.
Von 1963 bis 1965 war er als Vorsitzender des Staatskomitees für Chemie- und Erdölindustrie beim Staatlichen Planungskomitee der UdSSR und als Minister der UdSSR tätig.
Im Oktober 1964 wurde Nikita Chruschtschow während der Plenartagung des ZK der KPdSU sämtlicher Staats- und Parteiämter enthoben. Dessen Amtsnachfolger Leonid Breschnew ernannte 1965 Nikolai Baibakov erneut zum Vorsitzenden des Staatlichen Planungskomitees der UdSSR. Seitdem war er in diesem Amt zwei Jahrzehnte lang tätig.
Nikolai Baibakov leistete einen großen Beitrag zur Entwicklung der Erdöl- und Erdgasbranche in der UdSSR. Er gilt als einer der größten Fachmänner für die Entwicklung zeitgerechter und effizienter Förder- und Raffinerieverfahren in der Erdölindustrie. Mit seiner Beteiligung wurden neue Verfahren für die Ausbeute einzigartiger Lagerstätten in Westsibirien, Mittelasien, in der Republik Komi, im Verwaltungsgebiet Orenburg und in anderen Regionen sowie Verfahren für Gastransporte auf große Entfernungen geschaffen.
1985 trat Nikolai Baibakov in den Ruhestand, war aber noch drei Jahre lang als Berater beim Präsidium des Ministerrates der UdSSR tätig. Anschließend arbeitete er am Institut für Gas und Erdöl bei der Russischen Akademie der Wissenschaften, wo er die Sektion für Erdöl und Erdgas im wissenschaftlichen Beirat leitete. Er ist Autor von rund 200 wissenschaftlichen Studien und Beiträgen.
Nikolai Baibakov verstarb am 31. März 2008.
Er ist in die Geschichte eingegangen als einer der größten Staatsfunktionäre, Stammvater der inländischen Erdöl- und Erdgasindustrie, Führungskraft und Organisator der Erschließung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten.
Auszeichnungen und Titel
- Held der sozialistischen Arbeit;
- Vaterländischer Verdienstorden II. Klasse;
- sechs Leninorden;
- Orden der Oktoberrevolution;
- zwei Orden des Roten Banners der Arbeit;
- ausländische Orden und Medaillen;
- Leninpreis für die Entdeckung und Ausbeute von Gaskondensatlagerstätten;
- Doktor der technischen Wissenschaften;
- Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Naturwissenschaften;
- Mitglied der Ziolkowski-Raumfahrtakademie;
- Preisträger des Russischen Nationalen Olympus.
1995 wurde in der Werft Krasnoje Sormowo das Motorschiff „Nikolai Baibakov“ gebaut. 1997 wurde auf Initiative des Internationalen Brennstoff- und Energievereins sowie einer Gruppe von Mitarbeitern der Energiebranche der Interregionale Öffentliche Fonds zur Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung in der Erdöl- und Erdgasbranche gegründet, der den Namen von Nikolai Baibakov erhielt.