Mikhail Sidorenko

1914–1987

Zum 100. Geburtstag von Mikhail Sidorenko, erstem stellvertretenden Minister für Gasindustrie der UdSSR und Mitbegründer der inländischen Gasindustrie, der zu ihrer Entwicklung beigetragen hat

Mikhail Sidorenko wurde am 18. November 1914 in Baku geboren. Sein Vater kam auf der Suche nach einem besseren Los aus Poltawa auf die Halbinsel Apscheron. Er arbeitete als Handwerker bei der Transkaukasischen Eisenbahn. Die Familie hatte drei Kinder und sie alle schafften trotz des schweren Lebens einen Hochschulabschluss.

Mikhail Sidorenko

Mikhail Sidorenko

Im Jahr 1937 absolvierte Mikhail Sidorenko das Aserbaidschanische Erdölinstitut in der Fachrichtung Ausbeute von Erdöl- und Erdgaslagerstätten. Als Student begann er bereits auf einem Erdölfeld zu arbeiten. Er war als Leiter eines Arbeitsbereichs und anschließend als stellvertretender Leiter einer Betriebsvereinigung tätig.

Im Jahr 1938 wurde er bei der Betriebsvereinigung Syzranneft zur Erschließung von Lagerstätten des „Zweiten Baku“ (Erdöl- und Erdgasprovinz in der Wolga- und Uralregion) angestellt. So wurde Mikhail Sidorenko mit 24 Jahren Chefingenieur in einem Großbetrieb.

Dort erwies er sich als vortrefflicher Betriebsführer. Daraufhin wurde der begabte junge Ingenieur einen Monat vor Kriegsbeginn nach Moskau versetzt.

Im Jahr 1941 wurde er zum Leiter der Produktionsabteilung bei der Hauptverwaltung für Geologie des Volkskommissariats für Erdölindustrie ernannt. In den ersten Kriegstagen meldete sich Mikhail Sidorenko mehrmals an die Front, doch ihm wurde die Aufgabe gestellt, sich umgehend mit der Prospektion von neuen Erdöllagerstätten zu befassen.

Mikhail Sidorenko, Student am Aserbaidschanischen Asisbekow-Institut für Industrie

Mikhail Sidorenko, Student am Aserbaidschanischen Asisbekow-Institut für Industrie

Im Jahr 1942 wurde er als Chefingenieur der Westsibirischen Geologischen Betriebsvereinigung nach Kasachstan delegiert.

Im Jahr 1943 wurde er als Chefingenieur des Molotovneftekombinat und anschließend als Leiter der Betriebsvereinigung Molotovneft in der Stadt Molotow (heute Perm) angestellt.

Mikhail Sidorenko mit Ehefrau Antonina und Tochter Inna, Sysran, 1939
Mikhail Sidorenko mit Ehefrau Antonina und Tochter Inna, Sysran, 1939

Mikhail Sidorenko mit Ehefrau Antonina und Tochter Inna, Sysran, 1939

Im Jahr 1947 wurde er zum Leiter von Glavvostokneftedobycha ernannt und erhielt den Auftrag, die Erschließung von Erdöllagerstätten zu organisieren, die in den Kriegsjahren am Mittellauf der Wolga, in Tatarstan und Baschkirien entdeckt worden waren. Im Jahr 1951 übernahm er die Leitung von Glavzapadneftedobycha.

Chefingenieur im Molotovneftekombinat, Stadt Molotow, 1943
Chefingenieur im Molotovneftekombinat, Stadt Molotow, 1943

Chefingenieur im Molotovneftekombinat, Stadt Molotow, 1943

Seit 1954 stand Mikhail Sidorenko im Rang eines stellvertretenden Ministers für Erdölindustrie an der Spitze der Glavneftegaz, auf deren Grundlage im Jahr 1956 die Hauptverwaltung für Gasindustrie beim Ministerrat der UdSSR gegründet wurde (Glavgaz der UdSSR und später Gosgazprom und Mingazprom der UdSSR). Seitdem war er ungefähr dreißig Jahre lang ausschließlich in der Gasindustrie tätig, davon dreiundzwanzig Jahre als erster stellvertretender Minister.

Im Jahr 1957 wurde Mikhail Sidorenko zum Vorsitzenden des Komitees für Gaswirtschaft bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) bestellt.

Mikhail Sidorenko spielte eine führende Rolle in der Entwicklung und Umsetzung der Entwicklungsstrategie für die Gasindustrie in sämtlichen Schwerpunktbereichen. Er unterbreitete Projekte, die für die Branche relevant und zukunftsorientiert waren, und trug die Verantwortung für deren Vorbereitung und Umsetzung. Er übte die Führung aus bei der Erschließung und Inbetriebnahme der größten Lagerstätten im Nordkaukasus und in der Verwaltungsregion Krasnodar, der Lagerstätten Schebelinskoje in der Ukraine, Gaslinskoje in Usbekistan, Schatlykskoje in Turkmenien, Wuktylskoje in der Komi-Region, Orenburgskoje, Medweschje, Wyngapurowskoje, Urengoiskoje und vieler anderer.

Aufschluss der Lagerstätte Gaslinskoje, Usbekistan, 1965
Aufschluss der Lagerstätte Gaslinskoje, Usbekistan, 1965

Aufschluss der Lagerstätte Gaslinskoje, Usbekistan, 1965

Mikhail Sidorenko war an der Entstehung eines weitverzweigten Netzes von Ferngasleitungen unmittelbar beteiligt: vom Bau der ersten Pipelines in der Geschichte der inländischen Gasindustrie wie Nordkaukasus – Zentrum, Buchara – Ural, Mittelasien – Zentrum, Sojus, Wuktyl – Uchta – Torschok bis hin zu dem leistungsstarken System mit mehreren Pipelinesträngen Westsibirien – Zentrum und der transkontinentalen Pipeline Urengoi – Pomary – Uschgorod.

Mikhail Sidorenko kam auch eine zentrale Rolle zu, als die strategisch relevante Entscheidung für die Branche getroffen wurde, Verdichterstationen mit Kreiselbläsen, Gasturbinen- und Elektroantrieb zu nutzen. Forschungsinstitute des Landes begannen unter seiner Leitung leistungsstarke Vorverdichteranlagen für Verdichterstationen zu entwickeln, neue Ausrüstung kam zum Einsatz und wurde in Betrieb genommen, Personalschulung wurde vorgenommen.

Bau der Gaspipeline Mittelasien – Zentrum. Arbeitsbesprechung auf der Baustelle, 1965
Bau der Gaspipeline Mittelasien – Zentrum. Arbeitsbesprechung auf der Baustelle, 1965

Bau der Gaspipeline Mittelasien – Zentrum. Arbeitsbesprechung auf der Baustelle, 1965

Er gehörte zu den Mitbegründern des Einheitlichen Gasversorgungssystems im Land und zu den Urhebern der Idee, die Gasversorgung der Volkswirtschaft anhand von unterirdischen Gasspeichern zu regulieren.

Mikhail Sidorenko schrieb bereits im Jahr 1960: „Dank so einem Gastransportsystem, kombiniert mit Untertagespeichern, wird die Agilität in den größten Industriegebieten bei der Verteilung und Zustellung immenser Gasmengen in verschiedene Wirtschaftsregionen des Landes steigen und werden Voraussetzungen für die Errichtung eines Einheitlichen Gastransportnetzes in den nächsten 10–15 Jahren geschaffen.“

Mikhail Sidorenko hält einen Vortrag in einer Pressekonferenz zur Gaswirtschaft, Moskau, 22. Oktober 1965
Mikhail Sidorenko hält einen Vortrag in einer Pressekonferenz zur Gaswirtschaft, Moskau, 22. Oktober 1965

Mikhail Sidorenko hält einen Vortrag in einer Pressekonferenz zur Gaswirtschaft, Moskau, 22. Oktober 1965

Gegen Ende der sechziger Jahre wurde auch tatsächlich das Einheitliche Gasversorgungssystem im Land geschaffen. In dessen Entstehungszeit verwandelte sich das Haus von Mikhail Sidorenko regelrecht in ein „Stabsquartier“. Er wurde von Wissenschaftlern, Planern, Ingenieuren von Verdichteranlagen, Bauleuten, Bohrtechnikern, Geologen, Maschinenbauern und Betriebsleitern angerufen.

Mikhail Sidorenko übernahm die Leitung von Entwicklungsarbeiten zu theoretischen Grundlagen für die Errichtung von unterirdischen Gasspeichern (UGS) und befasste sich anschließend im Laufe von fünfundzwanzig Jahren mit deren Umsetzung, indem er die Bauarbeiten für die ersten unterirdischen Gasspeicher Kaluschskoje und Schtscholkowskoje leitete. Er setzte die Idee durch, unterirdische Gasspeicher in ausgedienten Gaslagerstätten sowie in wassertragenden Schichten anzulegen, was in der weltweiten Praxis neu war. Er nahm an der Errichtung des weltweit größten UGS Kassimowskoje in wassertragenden Schichten teil. Im Jahr 1975 habilitierte er mit seiner Doktorarbeit zum Thema „Steigerung der zuverlässigen Gasversorgung“. Er schrieb eine Reihe wissenschaftlicher Abhandlungen, die der unterirdischen Gasspeicherung gewidmet waren.

Ein Gespräch unter Fachleuten. Erdgaslagerstätte Messojachskoje, September 1968

Ein Gespräch unter Fachleuten. Erdgaslagerstätte Messojachskoje, September 1968

Mikhail Sidorenko war ständig auf Dienstreisen, er erinnerte sich an die Kapazitäten der jeweiligen Bohrung und Anlage. Einzelne Situationen waren ihm nicht nur vom Hörensagen bekannt. An Objekten wurde er immer wieder erkannt.

Auf seine Initiative wurde ein branchenbezogenes technologisches Fernmelde- und Automatiksystem geschaffen, das vom staatlichen Kontrollsystem unabhängig war.

Mit Fachleuten beim Testen des automatisierten Kontrollsystems für Gasentspannungsturbinen. Schebelinka, Februar 1978
Mit Fachleuten beim Testen des automatisierten Kontrollsystems für Gasentspannungsturbinen. Schebelinka, Februar 1978

Mit Fachleuten beim Testen des automatisierten Kontrollsystems für Gasentspannungsturbinen. Schebelinka, Februar 1978

Mikhail Sidorenko machte sich ein halbes Jahrhundert lang um die Erdöl- und Erdgasindustrie verdient und widmete etwa dreißig Jahre seines Lebens der Gasbranche, von denen er dreiundzwanzig Jahre lang als erster stellvertretender Minister tätig war.

Seit 1979 war Mikhail Sidorenko leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR.

Im Jahr 1983 waren seine umfassenden Kenntnisse und praktischen Berufserfahrungen als Mitarbeiter des Ministeriums gefragt, und er wurde gebeten, die Leitung der speziell gebildeten Abteilung für unterirdische Gasspeicherung beim Ministerium für Gasindustrie der UdSSR zu übernehmen.

Im Jahr 1985 trat er endgültig in den Ruhestand.

Er verstarb am 4. März 1987.

Schlusswort

Mikhail Sidorenko stand an der Quelle der inländischen Gasindustrie und deren Aufstieg zu einem eigenständigen Volkswirtschaftszweig. Der Aufgabenbereich von Mikhail Sidorenko war äußerst umfangreich. Er leitete Planungs- und Bauarbeiten sowie die Tätigkeit von Betrieben für die Förderung und den Transport von Erdgas; die Gründung neuer Forschungsinstitute und Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Gasindustrie; die Entwicklung neuer Technik und deren Einsatz; die Vorbereitung von Zukunftsplänen für Förderung, Transport und Nutzung von Erdgas im Land. Seine Kenntnisse und Erfahrungen waren dermaßen umfangreich, vielseitig und tiefgehend, dass er als „Chefingenieur der Gasindustrie“ bezeichnet wurde.

Mikhail Sidorenko gehörte der glanzvollen Generation von Mitarbeitern der Gasindustrie an, die diese Branche aufopferungsvoll aufbauten und gewissenhaft arbeiteten, ohne große Worte zu verlieren. Mikhail Sidorenko war sich selbst gegenüber gnadenlos und verlangte von den anderen völlige Hingabe, er duldete weder Verantwortungslosigkeit noch Dilettantentum. Er sagte immer, dass man mit Gas respektvoll umgehen müsse und dass es in der Gasbranche keine belanglosen Kleinigkeiten gebe.

Auszeichnungen und Titel

  • Leninorden;
  • zwei Orden des Roten Banners der Arbeit;
  • Orden „Ehrenzeichen“;
  • Orden der Oktoberrevolution;
  • Medaille „Für heldenmütige Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945“;
  • Medaille „Für ausgezeichnete Arbeit“;
  • Medaille „Für heldenmütige Arbeit“;
  • Ehrentitel „Verdienter Mitarbeiter der Erdöl- und Erdgasindustrie der RSFSR“.

Erinnerungen von Mitstreitern, Schülern und Freunden von Mikhail Sidorenko

Yury Batalin, stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR 

„Heute kann man ganz gewiss sagen, dass Mikhail Sidorenko über zwei Jahrzehnte den Kern der Produktionstätigkeit in der sowjetischen Gasindustrie bildete. Bei ihm war der Produktionsbereich zum größten Teil konzentriert. Er schuf die technologische Kultur und Disziplin in der Gasbranche. Aus dieser Sicht ist die Rolle von Mikhail Sidorenko in der Geschichte der russischen Gasindustrie kaum zu überschätzen.“

Grant Margulov, erster stellvertretender Minister für Gasindustrie der UdSSR

„Er mochte konkrete Vorschläge, konkrete Vorhaben und tat das Bestmögliche, damit diese Vorhaben das gesetzte Ziel erreichten. Mikhail Sidorenko kannte viele Leute und deren fachliche Kenntnisse persönlich, und stand stets jenen Menschen zur Seite, auf die man sich verlassen konnte. Das ist eine wunderbare Eigenschaft einer Führungskraft, die an der Wiege der Gasindustrie des Landes gestanden und ihren Triumph erlebt hat. Sein Leben und seine Tätigkeit sind nachahmenswert.“

Vladimir Khalatin, Leiter der Zentralen Dispatcherverwaltung des Einheitlichen Gasversorgungssystems beim Ministerium für Gasindustrie der UdSSR

„Viele von uns, die in der Branche tätig waren, bezeichneten Mikhail Sidorenko unter sich als ‚Chefingenieur des Ministeriums‘. Zu ihm kamen Chefs aller Fachbereiche – Planer, Wissenschaftler, Bauingenieure, Betreiber, Maschinenbauer, Wirtschaftsfachleute und Verarbeiter –, um sich bei ihm einen Rat zu holen, eine Frage zu klären oder eine Entscheidung herbeizuführen. Er fand für jeden Zeit, um jede Frage zu prüfen und sie zu beantworten oder eine entsprechende Entscheidung zu treffen.

Mikhail Sidorenko bleibt mir für immer als großartiger Fachmann und Mensch in Erinnerung.“

Vladimir Kurchenkov, Leiter der Verwaltung für Gastransport und –lieferung 

„Mikhail Sidorenko war in allen Entwicklungsphasen der Gasindustrie stets um eine hohe Wirtschaftseffizienz der errichteten Gaspipelines in Hinblick auf die Rückflussdauer von Investitionen besorgt… Mikhail Sidorenko kommt eine führende Rolle bei Errichtung des Einheitlichen Gasversorgungssystems des Landes zu…

Wenn man bedenkt, wo überall Mikhail Sidorenko seinen Verstand, sein Herz und seine Hand angelegt und was er alles getan hat, so hat man einen Schöpfer, einen großen Arbeitsmenschen vor Augen, der sich ganz und gar dem Aufbau und der Blüte der inländischen Gasindustrie gewidmet hat.

In jedem Gastransportbetrieb gibt es einen Chefingenieur. Mikhail Sidorenko kann man zu Recht als Chefingenieur der gesamten Gasbranche bezeichnen. Der Branche, der er sein gesamtes wunderbares und kreatives Leben gewidmet hat.“

Alexander Kozachenko, Generaldirektor der Betriebsvereinigung Mostransgaz

„Mikhail Sidorenko war ein strenger, jedoch sehr sachkundiger Fachmann. Ihn respektierten sowohl Betreiber als auch Bau- und Montagearbeiter. Sie erwarteten immer seinen Besuch und bereiteten sich gründlich darauf vor. Viele fürchteten ihn, er erzürnte jedoch niemals ohne Grund und demütigte niemanden. Mikhail Sidorenko vermochte es, Menschen zuzuhören, sprach selbst wenig, aber immer zur Sache. Er machte keine leeren Versprechungen, hielt jedoch stets sein Wort. So ist er mir fürs Leben in Erinnerung geblieben und ich halte Mikhail Sidorenko mit Stolz für einen meiner ersten Lehrer in der Gasbranche.“

Samuil Kraizelman, Leiter der Hauptverwaltung für Produktion und Verteilung im Ministerium für den Bau von Betrieben in der Erdöl- und Erdgasindustrie der UdSSR

„Er war ein Mensch, von dem man viel lernen konnte und der von anderen bereitwillig lernte. Er war ein Mensch, der sich mit Herz und Seele für die großartige Sache der Gasindustrie einsetzte. Ich bin dem Schicksal dankbar für unsere Bekanntschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit.“

Pyotr Sviridov, Maschinenmeister von technologischen Verdichteranlagen

„Mikhail Sidorenko widmete sein Leben den Interessen der Branche und den Belangen ihrer Menschen. Er war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass die Stärke der Gasindustrie in den einfachen Arbeitsmenschen liegt, die die Gasbrache als ihre Lebensaufgabe betrachten. Solchen Menschen kann man die Lösung beliebiger Fragen anvertrauen. Solche Menschen vertrauten wiederum Führungskräften, wie Mikhail Sidorenko es war.“

 

Der Text beruht auf den Büchern „Goldener Fonds der Gasindustrie“ und „Mikhail Sidorenko“ (Autor: Valentin Runov). Wir danken Inna Konstantinova, der Tochter von Mikhail Sidorenko, für ihre Hilfe bei der Vorbereitung dieses Beitrages.