Rede von Alexey Miller auf dem V. Petersburger Internationalen Gasforum
Pressemitteilung
Sehr geehrte Kollegen, Liebe Freunde!
Unsere Plenarsitzung heißt „Gasindustrie als Lokomotive der russischen und internationalen Wirtschaft“. Wir sehen, dass momentan auf dem Markt für Kohlenwasserstoffe jeweils unterschiedlich orientierte Tendenzen zu beobachten sind. Aber eine Tendenz ist ausgesprochen wichtig für die russische Wirtschaft und die Gazprom dies ist die Tendenz fortdauernd wachsender Nachfrage nach russischem Gas auf internationalen Märkten. Eben diese Tendenz prägt den Umstand, dass die Gasindustrie Russlands nach wie vor eine Lokomotive unserer Wirtschaft ist und es auch bleiben wird.
Gaslieferungen auf Außenmärkte demonstrieren momentan in der Tat sehr gute Dynamik: Im dritten Quartal lieferte die Gazprom ins ferne Ausland 23 Prozent mehr Gas als in der Vergleichszeitspanne des Vorjahres. Und im September verzeichneten wir einen Zuwachs von 24 Prozent gegenüber der entsprechenden Periode im Vorjahr.
Besonders erfreulich sind dabei die absoluten Zahlen, die einen Rekord darstellen, wie es der deutsche Markt als unser Markt Nummer eins in Europa belegt. Im ersten Halbjahr erwarb Deutschland 21,5 Milliarden Kubikmeter Gas das ist absoluter Rekord für die gesamte Geschichte russischer Gaslieferungen auf den deutschen Markt. Diese Tendenz hat selbstverständlich ihre Ursachen. Dies ist nicht allein die fehlgeschlagene „Kohlen-Renaissance“ in der Elektroenergie und nicht allein die Tatsache, dass die Schiefergas-Revolution sich in tiefen Untergrund zurückziehen musste.
Es liegt in erster Linie daran, dass die eigene Förderung in Europa unentwegt zurückgeht, und wenn wir uns die Statistik anschauen, werden wir sehen, dass dieser Rückgang in sehr hohem Tempo vonstatten geht. 2005 wurden in Europa 317 Milliarden Kubikmeter Gas gefördert, 2010 waren es 305 Milliarden Kubikmeter, Schätzungen für 2015 (das sind realistische Schätzungen, es bleiben ja nur noch einige wenige Monate) belaufen sich auf 267 Milliarden Kubikmeter. Das bedeutet, dass sich die Förderung in Europa in den letzten zehn Jahren um 50 Milliarden Kubikmeter verringerte. Dieser Rückgang gewinnt dabei an Tempo. Laut unseren Prognosen wird die eigene Gasförderung in Europa in den nächsten zehn Jahren, gegen 2025, unter 200 Milliarden Kubikmeter liegen.
Es gibt sicherlich auch Tendenzen wachsenden Gasbedarfs, und hier würde ich auf die Prognosen des Erdgasverbrauchs in der Elektroenergiewirtschaft verweisen. Gegen 2025 soll der Bedarf an Gas in diesem Wirtschaftssektor Europas laut unseren Prognosen um 20 Milliarden Kubikmeter zunehmen.
Wie stellt sich die Gazprom mit ihren langfristigen Lieferverträgen vor dem Hintergrund dieser Tendenz wachsender Nachfrage nach russischem Gas dar? Die bis 2020 mit unterschriebenen Verträgen bereits gebuchten Mengen belaufen sich auf 199 Milliarden Kubikmeter Gas. Für uns liegt es auf der Hand, dass der europäische Markt absolut alle vertraglich gebundenen Mengen über 2020 hinaus benötigen wird. Dies spricht dafür, dass unsere europäischen Kunden gut beraten wären, in allernächster Zeit neue Verträge über neue Mengen zu schließen. Laut Prognosen kann das Gasdefizit auf dem deutschen Markt in den nächsten maximal sechs bis sieben Jahren rund 30 Milliarden Kubikmeter im Jahr erreichen.
Darin liegt auch die Antwort auf die Frage, „warum die Entscheidung zum Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 gefordert wurde“. Diese Entscheidung wurde in diesem Jahr Anfang September getroffen. Mit unseren europäischen Partnern wurden rechtlich bindende Dokumente zur Umsetzung dieses Projekts unterschrieben. Die Pipeline soll bis Ende 2019 gebaut werden, und es geht um neue russische Gaslieferungen auf den europäischen Markt. Die Vorteile dieses Projekts sind für alle offensichtlich und allen dadurch gut bekannt, dass die Leitung Nord Stream I erfolgreich ich würde sagen, sehr erfolgreich funktioniert. Als erstes sollten wir auf die Sicherheit und Stabilität direkter Gaslieferungen vom Territorium der Russischen Föderation ohne Transit durch weitere Länder auf das Territorium der Europäischen Union verweisen. Es sollte auch die hohe technische Sicherheit dieser Pipeline hervorgehoben werden. Und selbstverständlich auch die hohen Umweltstandards, die sowohl bei ihrem Bau als auch bei ihrem Betrieb umgesetzt wurden.
Die Aktionäre der neuen Aktiengesellschaft für den Bau und Betrieb der Gaspipeline Nord Stream 2 haben beschlossen, nichts Neues zu erfinden, sondern die technischen Lösungen aus dem Projekt Nord Stream I zu verwenden, die sich voll bewährt hatten. Deshalb ist das technische Konzept dieses Projekts identisch mit dem von Nord Stream I. Wir werden kein neues Projekt erstellen wir nehmen das alte Projekt und setzen es in die Tat um. Es wird praktisch eine Schwesterpipeline der Nord Stream I Leitung entstehen. Ich würde dabei gleich vorwegnehmen, dass die Nord Stream 2 Pipeline im Rahmen des bereits bewährten, gut funktionierenden Swap-Modells, des Austauschs von Aktiva mit unseren europäischen Partnern, realisiert wird.
Wir arbeiten im alten Paradigma. Dieses Modell sieht vor, dass die beteiligten Unternehmen an der gesamten Wertschöpfungskette von der Förderung bis zum Endkunden mitwirken. Dieses Modell ermöglicht den Teilnehmern des Gasmarktes, ihre Risiken zu minimieren, da jede Partnerfirma zwar in jeweils unterschiedlichem Umfang, aber an jeder Phase der Wertschöpfung auf dem Markt beteiligt ist. Dieses Modell gestattet selbstverständlich auch, die Interessen aller Partner zu berücksichtigen. Für uns als Gazprom ist es ein Modell für die Erschließung des Endverbraucher-Marktes.
Derartige Vereinbarungen wurden im Rahmen von Swap-Geschäften erzielt. Hier würde ich insbesondere auf das Swap-Geschäft mit dem Unternehmen BASF/Wintershall verweisen. Am 30. September wurde dieses Geschäft geschlossen. Die Gazprom erhielt Europäische Vermögensgegenstände an Gasverteilung- und Speichergeschäft. Und es sind dies selbstverständlich Gesellschaften, die am Gasverkauf an den Endkunden aktiv beteiligt sind.
Das Modell, das wir bereits im Nord Stream 2 Projekt anwenden, sieht gleichfalls Beibehaltung und weitere Entwicklung existierender Zentren der Gasverteilung in Europa – der Gas-Hubs vor. Ein Zielmarkt des Nord Stream 2 Projekts ist beispielsweise Baumgarten (Österreich). Auch ein weiteres Swap-Geschäft, und zwar zwischen Gazprom und OMV, ist auch ein Fundament unseres Projekts Nord Stream 2. Hier möchte ich mich beim Präsidenten von OMV, Herrn Seele, der heute an unserer Plenarsitzung teilnimmt, für sehr konstruktive und operative Arbeit bei der Vorbereitung dieses Geschäfts bedanken. Wir sehen ein sehr großes Potential für den Ausbau unserer Zusammenarbeit mit Österreich. Österreich verfügt über weitreichende Kompetenzen in der Förderung wie in der Verarbeitung. Und ich will es einmal mehr unterstreichen in Österreich liegt einer der größten europäischen Gas-Hubs Baumgarten.
Doch wenn wir von Nord Stream 2 reden, ist dies für die Gazprom ganz gewiss ein Projekt, das auf die Umsetzung eines der Schlüsselvorhaben in der Entwicklungsstrategie unseres Unternehmens abzielt. Dieses strategische Element ist die Diversifizierung unserer Transportrouten. Dabei sollte vermerkt werden, dass die Gazprom-Strategie der Diversifizierung der Transportrouten in ihrem Wesen mit identischer Komponente der EU-Strategie übereinstimmt. Die Strategie der Europäischen Union sieht gleichfalls Diversifizierung der Transportrouten vor. Deswegen verfolgen wir hierbei ohne Zweifel gemeinsame Interessen.
Aber die Strategie der Europäischen Union beinhaltet auch einen solchen Aspekt wie Diversifizierung der Gasversorgungsquellen. Wir können im Moment feststellen, dass Diversifizierung der Transportrouten für die Europäische Union im Vergleich zur Diversifizierung der Gasversorgungsquellen doch eine wichtigere wie auch realistischere Zielsetzung darstellt.
Wir alle kennen das anschauliche Beispiel eines Projekts zur Diversifizierung der Gasversorgungsquellen das Nabucco-Projekt. Im Verlauf von zwölf Jahren erklang diese „Oper“ von allen europäischen „Bühnen“, bis sie schließlich vor zwei Jahren völlig vom „Spielplan“ verschwand. Ein russisches Sprichwort besagt: „So oft man auch Halva sagt – es wird im Mund nicht süß“. Die Ursache ist in Wirklichkeit recht simpel: Es liegt daran, dass es für russische Gasressourcen schlicht und einfach keinen Ersatz gibt. Wir sind ein zuverlässiger Lieferant. Wir sind ein Lieferant, der über Vorräte in einem solchen Umfang verfügt, dass er die Liefermengen nach Europa sogar verdoppeln kann. Und er kann auf den EU-Markt überhaupt so viel Gas liefern, wie es der europäische Verbraucher verlangt.
Es sei darauf hingewiesen, dass Russland und die Gazprom mit der Kaspischen Region eine intensive Zusammenarbeit im Bereich der Kohlenwasserstoffe entwickeln. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Tendenz verweisen, die wir momentan beobachten. Für Länder, die gleichzeitig Erdöl und Erdgas gewinnen, erhält natürlich Ölförderung eine viel höhere Priorität. Dies ist objektiv begründet, denn wenn wir das alles in Einsatzkennziffern umrechnen, werden wir sehen, dass Erdöl im Vergleich zum Erdgas wesentlich gewinnbringender zu exportieren ist. Andererseits gestattet eine Technologie wie Gaslifting, wie der Cyclingprozess, den Erdöl-Nutzungsgrad zu erhöhen und auf diese Weise die Ölförderung zu stützen. Deswegen nutzen jene Länder, die über Gas- wie über Ölvorräte verfügen, ihre Gasreserven in hohem Maße nicht für Exportlieferungen, sondern dafür, die Erdölförderung und dementsprechend den Export auf erforderlichem Niveau aufrechtzuerhalten.
Hinsichtlich unserer Zusammenarbeit mit den Ländern der Kaspischen Region sollte das Geschäft mit Aserbaidschan erwähnt werden. Wir unterzeichneten im September einen mittelfristigen Vertrag über die Lieferung von zwei Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr nach Aserbaidschan. Unsere Zusammenarbeit mit Aserbaidschan wird sich weiter entwickeln.
Aber selbstverständlich schenken wir große Beachtung dem Süden auch im Rahmen unserer Strategie zur Diversifizierung der Transportrouten. Hier, im Süden, am Schwarzen Meer, ist das Projekt TurkStream unsere Priorität, das direkte, transitfreie Lieferungen vom Territorium der Russischen Föderation in die Türkei bezweckt. Wenn wir jetzt von der Sollkapazität jener Erdgasleitungen sprechen, die durch das Schwarze Meer gebaut werden können, so sollen diese Kapazitäten in einem Umfang von maximal 32 Milliarden Kubikmetern Gas geschaffen werden. Unter Berücksichtigung jener Entscheidungen, die bei uns im Norden getroffen wurden, sind wir der Auffassung, dass dies jene realistische Verhandlungsposition ist, nach der wir uns in allernächster Zeit richten werden.
Die Gazprom-Strategie beinhaltet nicht allein Diversifizierung der Transportrouten, sondern, wie Sie wissen, auch noch Diversifizierung unserer Märkte und unserer Endprodukte. Im Zuge der Diversifizierung unserer Märkte haben wir den Markt der asiatisch-pazifischen Region und den chinesischen Markt erfolgreich erschlossen. Nachdem wir im vorigen Jahr einen Vertrag über die Lieferung von 38 Milliarden Kubikmetern Gas nach China und den Bau der Gaspipeline Power of Siberia unterschrieben hatten, konnten wir bei den Verhandlungen über die Westroute für Gaslieferungen nach China aus den Gasvorräten Westsibiriens weit vorankommen. Wenn wir den Zeitplan der Verhandlungen zur Ostroute dem Zeitplan der Verhandlungen zur Westroute gegenüberstellen, können wir erwarten, dass wir den Vertrag zur Westroute im Frühjahr 2016 unterschreiben werden.
Mit China wurde im September die Schaffung eines weiteren Gaskorridors für Lieferungen aus Russland vereinbart, und zwar aus dem russischen Fernen Osten. Dieses Projekt gilt als Priorität, als Projekt unseres Fünfjahresplans für strategische Zusammenarbeit. Die Rangliste dieser Erdgaskorridore sieht demnach wie folgt aus: An erster Stelle steht der Ostkorridor, die Power of Siberia, an zweiter Stelle steht der Westkorridor, die Pipeline Power of Siberia-2, an dritter Stelle steht die Gasleitung aus dem russischen Fernen Osten.
Gegenwärtig wird viel von einer Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums in China, von einer Verlangsamung des Wachstums auf Chinas Gasmarkt geschrieben. Doch wenn wir den Gasmarkt Chinas unter dem Gesichtspunkt des europäischen Marktes und auch unter dem Gesichtspunkt des Weltgasmarktes betrachten, stellen wir fest, dass die Wachstumsraten des chinesischen Gasmarktes erst vor kurzem sehr hoch waren und dass sie in der laufenden Zeitperiode mittelhoch sind. Diese Raten bleiben weiterhin die höchsten Wachstumsraten eines Erdgasmarktes in der Welt.
Für die Märkte der asiatisch-pazifischen Region, unter anderem für den Markt unserer Freunde, unserer Partner – Chinas – ist dabei folgendes charakteristisch: Dort sind die höchsten Wachstumsraten der Nachfrage nach umweltfreundlicher Energie zu verzeichnen. Wenn wir von Gas reden, so stellen wir großangelegte Programme der Gasifizierung chinesischer Großstädte fest. Wenn nur 15 Prozent von den 75 Millionen Tonnen Feuerkohle, die Chinas Industrie verbraucht, durch Gas ersetzt werden, wird die Aufnahmekapazität des chinesischen Gasmarktes allein durch diesen Faktor um 70 Milliarden Kubikmeter pro Jahr anwachsen.
Der Ausbau der Zusammenarbeit mit unseren östlichen Partnern eröffnet auch für unsere europäischen Partner sehr gute Perspektiven. So ist das Gasverarbeitungswerk Amur, das größte in Russland und eines der größten in der Welt, ein wichtiges Projekt im Rahmen des Gesamtprojekts Power of Siberia. Die Kapazität in der Gasverarbeitung beläuft sich auf 49 Milliarden Kubikmeter. Gazprom hat heute entschieden, dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Firma Linde umzusetzen.
Die Umsetzung dieses Projekts gemeinsam mit deutschen Partnern ist nicht allein das Gasverarbeitungswerk Amur, sondern es sind auch andere Projekte in der Erdgassphäre, darunter auch in der Gasverflüssigung, und ich würde sogar sagen, möglicherweise in erster Linie, im Rahmen des Programms der Importsubstitution, das heute durch die Gazprom umgesetzt wird. Wir sehen hier sehr gute Möglichkeiten, sehr gute Perspektiven für die Entwicklung der Zusammenarbeit mit Gesellschaften aus europäischen Ländern.
Wenn wir also sagen, die Gazprom und Russlands Gasindustrie war, ist und bleibt eine Lokomotive unserer Wirtschaft, so schaffen unsere Aktivitäten in östlicher Richtung, im Rahmen des Östlichen Gasprogramms, für unsere europäischen Partner zweifelsohne ebensolche Möglichkeit, gleichfalls Lokomotiven auch ihrer Wirtschaften zu bleiben.
Die positiven Erfahrungen mit der Umsetzung solcher großdimensionierten Projekte wie das Gasverarbeitungswerk Amur eröffnen zweifelsohne gute Möglichkeiten für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Gazprom. Und hier möchte ich ein Beispiel aus einem anderen Bereich unserer Entwicklungsstrategie anführen der Diversifizierung unserer Endprodukte. Dies ist ein Beispiel aus unserer Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Shell. Alle wissen, dass das Projekt Sachalin-II weltweit das erfolgreichste Projekt der Erdgasverflüssigung ist. Das erkennen absolut alle Experten an. Diese positive Erfahrung führte uns ohne Zweifel letztendlich an neue Vorhaben in der Zusammenarbeit mit Shell heran. In erster Linie ist dies ganz gewiss die in diesem Jahr getroffene Entscheidung über die Umsetzung der dritten Bauphase des Sachalin-II-Projekts. Das Wichtigste ist jedoch die – ohne Übertreibung – historische Vereinbarung mit der Gesellschaft Shell über strategische Zusammenarbeit, Austausch von Aktiva und Realisierung mehrerer Projekte entlang der Wertschöpfungskette. Ein solches Projekt, das heute bei uns auf dem Verhandlungstisch liegt und in dem Shell momentan als unser vorrangiger Partner, als Unternehmen auftritt, mit der wir als erster Verhandlungen aufnahmen, ist das Projekt Baltic LNG mit einer Kapazität von 10 Millionen Tonnen.
Somit realisiert die Gazprom erfolgreich ihre Entwicklungsstrategie. Was aber unsere Marktstrategie angeht, so reagieren wir zweifelsohne als Unternehmen, das als sein Credo die These vertritt, marktgerecht zu arbeiten, in unserer Vorgehensweise auf das, was auf dem Erdgas- und dem Erdölmarkt passiert. Hier sollten wir die Haupttendenz benennen, die wir im Verlaufe des Jahres 2015 beobachten – dies ist der Fakt, dass die Verträge mit fester Ölpreisbindung viel drastischere, einseitig ausgerichtete, scharfe Dynamik aufwiesen. Bereits jetzt weisen Verträge mit fester Ölpreisbindung gemäß Formeln niedrigere Zahlen auf als beliebige andere Verträge. Einige Kritiker der Verträge mit Ölpreisbindung haben in ihrem Eifer nachgelassen, und einige Gesellschaften, die erst vor kurzem gefordert hatten, „die Formel zu revidieren“, sind ebenfalls nicht mehr so laut wie zuvor. Weshalb wohl? Weil sie die Tendenzen der Marktentwicklung erkennen. Unser neunmonatiger Ölkorb wird immer leichter und leichter und wir sehen, dass die Preise des 4. Quartals niedriger sind als die des 3. Quartals. Und es ist vollkommen klar, dass die Preise im 1. Quartal noch niedriger sein werden als die Preise des 4. Quartals. Dabei liegen die Preise in Verträgen mit Ölpreisbindung bereits jetzt unterhalb der Spotmarkt-Preise. Wir haben selbstverständlich auf diese Entwicklung reagiert und als neuer Ansatz in unserer Arbeit auf dem Markt die Durchführung von Gasversteigerungen initiiert.
Die erste Gasversteigerung fand im September in Sankt Petersburg statt. Wir verkauften bei dieser Versteigerung zusätzlich, ich weise Sie darauf hin – zusätzlich, 1,23 Milliarden Kubikmeter Gas. Wir werden die Praxis der Gasversteigerungen ganz gewiss fortsetzen. Wir werden diese Form der Marktarbeit weiter verbessern. Dabei sollte als erstes vermerkt werden, dass wir diese beachtlichen zusätzlichen Mengen zu Preisen versteigerten, die über den Durchschnittspreisen aus unseren Exportverträgen lagen.
In welche Richtung wollen wir das Versteigerungsgeschäft entwickeln? In erster Linie werden wir selbstverständlich die Lieferfristen verlängern. Bei der stattgefundenen Versteigerung reichte die Lieferfrist bis zum 31. März 2016 beginnend mit dem 1. Oktober 2015, deckte also die Herbst- und Winterperiode 2015–2016. Die nächsten Versteigerungen werden unter anderem Lose mit einer Lieferperiode von einem Jahr vorsehen. 2016 vergrößern wir die Gasmengen, die bei Versteigerungen angeboten werden. Unter anderem denken wir daran, die Gasmengen auf sechs Milliarden Kubikmeter aufzustocken. Ohne Zweifel werden auch die geografischen Rahmen der Gaslieferungen auf der Basis von Gasversteigerungen erweitert. Die nächste Versteigerung wollen wir bis Ende 2015 durchführen. Eine diesbezügliche Ankündigung wird auf unserer offiziellen Website platziert werden. Also: Verfolgen Sie die Werbung, wie man sagt.
Wenn von der Gasbranche und von unseren Aktivitäten auf den Außenmärkten die Rede ist, können wir selbstverständlich nicht umhin, uns zur aktuellen Situation mit Gaslieferungen in die Ukraine zu äußern. Die Ukraine wird sicherlich nicht in der Lage sein, zum Beginn der Heizungssaison die erforderlichen Mengen an Aktivgas einzuspeichern. Ich will daran erinnern, dass die Heizungssaison in der Ukraine im vorigen Jahr am 17. Oktober mit einem Aktivgasvolumen von 16,7 Milliarden Kubikmetern gestartet war. Momentan übersteigt dieses Volumen nur knapp 15,7 Milliarden Kubikmeter, doch in den letzten Tagen fixieren wir eine Verringerung der Einspeicherung in die ukrainischen UGS und wir fixieren auch einen Rückgang der Reverse-Lieferungen von Erdgas aus Europa. Die Tagesmengen der Reverse-Lieferungen von Erdgas in die Ukraine sind gegenüber den Mengen der Reverse-Lieferungen im September nahezu auf ein Viertel gesunken. Ich glaube, dass dies primär an rein marktspezifischen Ursachen liegt. Jener Rabatt und jene Konditionen, die wir im ukrainischen Vertrag haben, und der ukrainische Vertrag, das sei hier festgestellt, ist ein Vertrag mit fester Ölpreisbindung, sind sogar viel günstiger als Gaslieferungen zu Preisen, die an Spot-Handelsplätze Europas gebunden sind.
Und die wohl wichtigste Frage ist doch die Frage der Finanzierung: der Finanzierung der Einkäufe, der Verfügbarkeit von Finanzmitteln bei der Ukraine für den Einkauf von russischem Gas in allernächster Zeit. Wenn es plötzlich so kommen sollte, dass der Winter extrem kalt sein sollte, und wir sprechen davon, dass ein solcher Winter alle zehn Jahre einmal vorkommt… In diesem Jahrhundert gab es übrigens 2005/2006 einen solchen Winter, da die durchschnittlichen Temperaturen im Bereich des Einheitlichen Gasversorgungssystems der Russischen Föderation, es gib eine solche Kennziffer, landesweit auf minus 28 Grad sank. Kalt war es in allen Verbrauchszentren und sehr kalt war es dementsprechend bei unseren Nachbarn in der Ukraine. Falls plötzlich ein solcher Winter einbrechen sollte, lassen sich Probleme mit der Gasversorgung nicht ausschließen. Doch wir wollen hoffen, dass bis zum Einbruch extremer Kälte noch Zeit da ist und dass die Ukraine in der Lage sein wird, zusätzliche Gasmengen einzuspeichern, und dass sie vor allem über finanzielle Ressourcen verfügen wird, um russisches Gas aus Direktlieferungen einzukaufen. Zur Bewältigung der Herbst- und Winterspitzen reicht die eigene ukrainische Förderung nicht aus, die Tagesmengen der Ausspeicherung aus den UGS reichen nicht aus, es reichen keine Reverse-Lieferungen aus, erforderlich ist zusätzlicher Einkauf von Gas aus direkten russischen Pipelinelieferungen.
Sehr geehrte Kollegen, wir bei der Gazprom sprechen davon, dass das 21. Jahrhundert ein Erdgas-Jahrhundert sei, und ich glaube, jene Diskussionen, jene Besprechungen, die auf der Plattform unseres Forums stattfinden, diese These und unsere Vision bestätigen werden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.