Interview von Alexey Miller mit der Nachrichtenagentur TASS

TASS: Sie hatten heute ein Arbeitstreffen mit Andrey Kobolev, dem Chef von Naftogaz, besprochen wurde die Vorbereitung auf den Winter. Ist die Gazprom für den Fall, dass internationale Finanzinstitute der Naftogaz keine erforderliche finanzielle Unterstützung für Gaseinkauf gewähren sollten, bereit, andere Optionen der Gaseinspeicherung in ukrainische Untertagespeicher zu diskutieren?

Alexey Miller: Wir sehen in der Tat, dass momentan Gas in ukrainische UGS in viel niedrigerem Tempo eingespeichert wird als im vorigen Jahr. Damals hatte die Naftogaz zum Start der Ausspeicherung in ihren Speichern 16,7 Milliarden Kubikmeter Gas akkumuliert. Bei derzeitigem Tempo lässt sich nicht einmal diese Menge erzielen. In der verbleibenden Zeit müssen noch 3,2 Milliarden Kubikmeter eingespeichert werden, das sind weitere 25 Prozent von dem in diesem Jahr bereits eingespeicherten Volumen. Das bereitet uns Sorgen, das Tempo sollte dringend erhöht werden. Erforderliche Gasmengen in den UGS sind obligatorische Voraussetzung für sichere Versorgung ukrainischer Verbraucher und Gastransit nach Europa im kommenden Winter. Die volle Verantwortung für diese Fragen liegt jedoch bei der Naftogaz. Das ist es, wovon wir ausgehen, und wir werden unser Gas in ukrainische UGS nicht einspeichern.

TASS: Wird möglicherweise geringerer Gasverbrauch in der Ukraine gestatten, sicheren Transit bei geringeren Mengen der Einspeicherung in UGS zu gewährleisten?

Alexey Miller: Wirtschaftliche Rezession in der Ukraine dauert fort, jedoch garantiert weiterer Rückgang des Jahresverbrauchs ganz gewiss keinen sicheren Transit bei geringen Gasmengen in den UGS. Der Spitzenverbrauch wird nicht sosehr durch die Wirtschaft wie vielmehr durch die Witterung beeinflusst. Das vorige Jahr war sehr warm, sodass die 16,7 Milliarden Kubikmeter in den Speichern ausreichten. Aber die Ukraine kann nicht jedes Jahr mit einem warmen Winter rechnen und sollte auf einen kalten Winter vorbereitet sein.

TASS: Kann volle Inbetriebnahme der OPAL-Leitung die Risiken der Einschränkung des ukrainischen Transits aufwiegen? Schlagen Gazprom und ihre Partner diese Variante der EU-Kommission erneut vor?

Alexey Miller: Volle Inbetriebnahme der OPAL hebt die Risiken des ukrainischen Transits nicht auf. Das kann die Situation etwas erleichtern, schafft das Problem jedoch keineswegs ab.

TASS: Wie kann für die Ukraine der Preis für das nächste Quartal ausfallen? Ist die Gazprom bereit, einen Preis für die gesamte Winterperiode festzulegen, oder bietet sie weiterhin einen Preis pro Quartal an?

Alexey Miller: Die Vertragsformel für den Preis ist an Erdöl gekoppelt. Wir beobachten bei den Ölpreisen eine rückläufige Tendenz, sodass der Vertragspreis für Gas ohne Rabatt im vierten Quartal 35 US-Dollar weniger ausmachen mag als im dritten Quartal. Quartalsbezogene Preisfestlegung ist im Vertrag fixiert und es liegt keinerlei Veranlassung vor, die Grundsätze der Preisgestaltung zu ändern. Derartige Änderungen wird es nicht geben. Dementsprechend wird auch der Rabatt durch Reduzierung der Zollgebühren Quartal für Quartal definiert werden. Ein fixierter Preis in absolutem Ausdruck lässt sich für die Heizungssaison 2015–2016 nicht festlegen.

Es ist nicht ganz klar, weshalb diese Frage überhaupt aufgeworfen wird, das ist bei Gasverträgen weltweit allgemein übliche Praxis und Naftogaz kauft gegenwärtig Gas aus Reverse-Lieferungen sogar zu monatlich korrigierten Preisen.

TASS: Aber gewisse Orientierungen für die gesamte Heizungssaison kann die russische Seite wohl doch geben?

Alexey Miller: Ja, ich glaube, die Vorgehensweise bei der Festlegung der Rabatthöhe lässt sich deklarieren, sodass die Ukraine klar erkennen wird, dass der russische Gaspreis gegenüber dem europäischen Markt voll wettbewerbsfähig sein wird.

TASS: Weshalb kauft die Ukraine Gas aus Reverse-Lieferungen zu höheren Preisen? In einigen Verträgen liegen die Preise 20 und auch 30 US-Dollar über denen der Gazprom.

Alexey Miller: Dafür existieren keine wirtschaftlichen Begründungen. Da aus Europa im Reverse-Verfahren im Wesentlichen auch unser russisches Gas geliefert wird, kauft Naftogaz dasselbe russische Gas, aber teurer. Wozu hat die Ukraine das nötig?

TASS: Ist die Naftogaz bereit, Einkäufe von russischem Gas wieder aufzunehmen, gibt es Signale seitens der ukrainischen Partner?

Alexey Miller: Naftogaz begreift vollkommen, dass sich der erforderliche Stand der Gasvorräte in den UGS nur durch Wiederaufnahme der Einkäufe von russischem Gas gewährleisten lässt. Doch das größte und einzige Problem sind fehlende Mittel für Einspeicherung.

TASS: Die ukrainische Seite erklärt häufig, zur Wiederaufnahme der Lieferungen bedürfe es eines dreiseitigen Abkommens zwischen Ukraine, Russland und EU.

Alexey Miller: Sämtliche technischen und preislichen Konditionen der Gaslieferung werden durch den Vertrag und Ergänzungen dazu geregelt. Die Frage des Gaspreises im Vertrag war immer und bleibt eine bilaterale russisch-ukrainische Angelegenheit. Und die Gewährung eines Zollrabatts legt ausschließlich im Kompetenzbereich der Regierung der Russischen Föderation. Dreiseitige Abkommen sind indes ein Rahmendokument, das, im Gegensatz zum geltenden Vertrag, keinen Status eines wirtschaftlichen Vertrags hat und rechtlich nicht bindend ist.

TASS: Was ist für die Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen erforderlich?

Alexey Miller: Nur Geld. Aber wir sehen, dass die Ukraine kein Geld hat, um Gas zu bezahlen.