Rede von Alexey Miller bei der Podiumsdiskussion „Internationale Gasmärkte: Energiepolitik und Energiesicherheit“ auf dem Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich sehe hier im Saal sehr viele Vertreter von Partnerunternehmen – was sehr angenehm ist – aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Regionen der Welt. Dies spricht dafür, dass das Petersburger Wirtschaftsforum als eine der wichtigsten Plattformen zum Thema Energie gilt.
Wollen wir uns anschauen, was sich 2016 und Anfang 2017 an den Gasmärkten ereignet hat. Schauen wir uns den globalen Gasmarkt, die Gasmärkte in Europa, Asien und ein wenig in Nordamerika an.
2016 nahm das Volumen des internationalen Gasmarktes um 5,5 Prozent zu. Hierbei betrug das Verhältnis im Handel mit Pipeline-Gas und verflüssigtem Erdgas 69 zu 31 Prozent. Dieses Verhältnis – 70 zu 30 – bleibt im Laufe der letzten Jahre stabil und ist keinen sonderlichen Veränderungen ausgesetzt.
Wir wissen sehr wohl, dass LNG- und Pipeline-Gas lediglich zwei verschiedene Transportarten für Methan darstellen. Im ersten Fall ist es ein Rohr, im zweiten Fall sind es Gastanker. Es bestehen eine gewisse Abhängigkeit und ein Verständnis dafür, auf welche Entfernungen Pipeline-Gas und auf welche Entfernungen und in welchem Umfang verflüssigtes Erdgas wettbewerbsfähig sind. Es ist klar, dass je größer die Entfernung ist, desto weniger attraktiv sind Pipelinelieferungen. Eine Steigerung der Liefermengen von Pipeline-Gas macht es allerdings aus wirtschaftlicher Sicht attraktiver.
Deshalb steht das Verhältnis 70 zu 30 dafür, dass die meisten Gasmengen weltweit auf Entfernungen zwischen 4.000 und 5.000 Kilometern von den Förderungsorten verbraucht werden. Grundsätzlich entfällt der Löwenanteil im internationalen Gashandel auf Pipelinelieferungen.
Die Steigerung des LNG-Handelsvolumens spricht zweifellos dafür, dass der Markt immer globaler wird und dass immer mehr Länder sich in ihrer Strategie im Energiebereich gerade auf diese Energieressourcen stützen.
Für Gazprom ist der europäische Markt maßgeblich. Dies ist der Markt Nummer eins. Wir sind an diesem Markt seit fast 50 Jahren tätig. Natürlich ist es uns sehr angenehm, dass der Verbrauch am europäischen Markt im Jahr 2016 zugenommen hat, und zwar erheblich zugenommen hat. Die Wachstumsrate am europäischen Markt betrug 6,9 Prozent. Dabei stockte Europa die Importmengen um 11,1 Prozent auf. Wie Sie sehen, nahmen die Importe in größerem Umfang zu, als der Verbrauch, und dies ist durch mehrere Faktoren bedingt.
In erster Linie ist dies ein Faktor, der jedermann in diesem Saal bekannt ist – ein zunehmend sinkendes Tempo der Gasförderung in den europäischen Ländern. Dies zum Einen.
Zweitens ist zu erwähnen, dass Gas sich immer mehr in der Elektroenergie durchsetzt. Wenn man vom europäischen Markt spricht, so stieg der Gasverbrauch für die Stromerzeugung im Jahr 2016 um 8,4 Prozent. Wie Sie sehen, übersteigt diese Zahl sogar die Verbrauchsmengen von Gas am europäischen Markt.
Indessen wiesen einige europäische Länder in der Tat beeindruckende Kennzahlen auf. Dies gilt unter anderem für den rückläufigen Anteil der Stromerzeugung aus Kohle. Hiermit meine ich Großbritannien. Allein im Laufe eines Jahres, im Jahr 2016, ging die Stromerzeugung aus Kohle in Großbritannien von 23 Prozent auf 9 Prozent zurück. Dabei wurde sie durch Stromerzeugung aus Gas abgelöst.
Gazprom stockte unter diesen Verhältnissen die Liefermengen von Gas nach Europa auf. Sie wissen, dass der Konzern 2016 einen Rekord hinsichtlich der absoluten Exportmengen gesetzt hat: Wir lieferten an den europäischen Markt 179,3 Milliarden Kubikmeter Gas. Dies ist 12,5 Prozent mehr gegenüber dem Jahr 2015. Ich denke aber, dass eine noch markantere Zahl die absolute Steigerung der Gaslieferungen im Jahr 2016 darstellt: 19,9 Milliarden Kubikmeter Gas.
Indessen bleibt die Tendenz zu steigenden Exportlieferungen von Gas in immer schnellerem Tempo und größerem Umfang seit Anfang 2017 unverändert. Gazprom stockte Gaslieferungen nach Europa seit dem 1. Januar um 9,5 Milliarden Kubikmeter auf, das heißt um 13,3 Prozent mehr gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass allein in einem Jahr und fünf Monaten die Liefermengen von Gazprom an den europäischen Markt um 29,4 Milliarden Kubikmeter Gas zugelegt haben.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass 29,4 Milliarden Kubikmeter Gas 53 Prozent der Sollleistung der Gaspipeline Nord Stream 2 ausmachen. Wir werden diese Pipeline Ende 2019 in Betrieb nehmen, das heißt, dass noch gute zweieinhalb Jahre vergehen werden. Wenn die Nachfrage nach russischem Gas im selben Tempo steigt, das wir in den letzten anderthalb Jahren beobachten, wird auch die Nord Stream 2 offensichtlich nicht ausreichen, um die zunehmende Nachfrage nach russischem Gas am europäischen Markt zu befriedigen.
Indessen wurden neben unseren zunehmenden Gaslieferungen an den europäischen Markt rückläufige Liefermengen von Gas aus Norwegen, den Niederlanden und Katar fixiert. 2016 lieferte Katar 4,4 Milliarden Kubikmeter weniger Gas gegenüber dem Jahr 2015. Die Ursachen dafür sind allgemein bekannt: ein Abzug dieser Mengen vom europäischen Markt auf niedrigschwelligere asiatische Märkte. Und diese Tendenz zeichnet sich weiterhin ab. Die Rückläufigkeit von LNG-Lieferungen an den europäischen Markt wies 2016 ein Minus von 1,9 Prozent bzw. 1,1 Millionen Tonnen auf.
Hierbei ist zweifellos darauf hinzuweisen, dass die Steigerung unserer Liefermengen von Gas gerade auf jene Länder entfällt, die als Zielländer für das Projekt Nord Stream 2 gelten. In welchen Ländern beobachten wir in erster Linie einen Anstieg? Natürlich in Deutschland. 2016 nahmen die Gaslieferungen nach Deutschland um 10 Prozent zu und erreichten fast 50 Milliarden Kubikmeter (49,8 Milliarden Kubikmeter Gas). Noch beeindruckender sind die Zahlen zu Gaslieferungen nach Deutschland seit Jahresbeginn: ein Zuwachs von 15,6 Prozent, das heißt ein Plus von drei Milliarden Kubikmetern allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres. In schnellem Tempo legten 2016 die Lieferungen an Märkte wie Großbritannien, Frankreich, Holland, Dänemark, Österreich und Polen zu. Sie steigen auch weiterhin.
Neben absoluten Rekordlieferungen, umgerechnet in Jahreskennzahlen, setzte Gazprom im vergangenen Winter vier Monate in Folge Rekorde hinsichtlich der monatlichen Exportlieferungen von Gas: erst im Oktober 2016, anschließend im November, dann im Dezember und schließlich im Januar. Die Liefermengen im Januar stellen unseren absoluten Rekord dar – 19,1 Milliarden Kubikmeter.
Am meisten beeindruckt jedoch unser Rekord in Bezug auf tägliche Lieferungen. Wir haben am 27. Januar dieses Jahres mehr als 636,4 Millionen Kubikmeter Gas an den europäischen Markt geliefert. Dies ist eine Spitzenmenge. Sie überbietet die entsprechende Spitzenleistung im vorausgegangenen Winter 2015–2016 um mehr als 100 Millionen Kubikmeter.
Aber was sehen wir heute? Heute, am 1. Juni, betragen die Exportlieferungen von Gazprom nach Europa 543 Millionen Kubikmeter Gas. Sie kennen den Scherz von Gazprom unabhängig davon, wie das Wetter draußen ist – „es beginnt der achte Wintermonat“. Dies sind Lieferungen, wie sie für den europäischen Markt im Winter typisch sind. Solche Mengen hat es bislang niemals gegeben.
Dies kann uns als Lieferanten – als zuverlässigen Lieferanten – zweifellos nur freuen. Aber wir müssen auch begreifen, dass entsprechende Infrastrukturprojekte zu den vorgegebenen Terminen pünktlich in Betrieb genommen werden müssen.
Was den vergangenen Winter betrifft, so sollte man die Situation bedenken, die in einigen europäischen Ländern an manchen Tagen entstanden ist. Für Deutschland war dies der 24. Januar. Alle wissen, was sich dort ereignet hat. Deutschland deckte den täglichen Bedarf aus erneuerbaren Energiequellen lediglich zu vier Prozent. Erinnern wir uns an die Situation in Österreich, als die Gaslieferungen um vier Mal aufgestockt worden sind gegenüber dem Stand, der für Lieferungen an den österreichischen Markt in der Herbst- und Winterzeit sozusagen gewohnt sind. Wir kennen die Situation in Frankreich, als Atomreaktoren in der Zeit anormaler Kälte wegen planmäßiger Instandhaltungsarbeiten ausgesetzt worden sind und der Bedarf an Gaslieferungen rasant zugenommen hat.
Am wichtigsten aber ist, dass schlussendlich ein Rekord erreicht worden ist in Bezug auf Mindestvorräte von Gas in europäischen Speichern zu Beginn des zweiten Quartals. In den Untertagespeichern blieben in Europa rund 25 Prozent Gas. Wir werden zweifellos im Rahmen des Dialogs, den wir mit unseren Partnern in Europa führen, noch mehr Augenmerk der Einspeicherung von Erdgas in die europäischen UGS schenken.
Uns ist heute bereits klar, dass im bevorstehenden Winter 2017–2018 der Bedarf an Gas aus Untertagespeichern in Europa größer sein wird, als im vergangenen Winter.
Wie hat sich das alles auf die Preise niedergeschlagen? Herr Grivach hat bereits in seiner Ansprache gesagt, was ein Spot darstellt. Unter den Verhältnissen einer derartigen Spitzennachfrage wiesen die Spot-Handelsplätze mangelnde Liquidität auf. Es gibt an Spot-Handelsplätzen keine Gasmengen, die zu Spitzenzeiten für Verbraucher verfügbar sind. Dies zum Einen. Das zieht sofort die Tendenz zu Preissteigerungen nach sich. Daher waren die Preise an Spot-Handelsplätzen wesentlich höher, als die Preise in langfristigen Verträgen von Gazprom. Dies sind dutzende Prozente gegenüber den Spot-Preisen.
Die Aufforderung zu Spot-Geschäften und die Idee von Spot-Geschäften an sich ist ein Versuch, von der Anbindung an die Ölpreise abzukommen. Wenn wir uns jedoch insgesamt die Preiskorrelation am Sport-Markt anschauen, erkennen wir, dass diese Preise schlussendlich im Fahrwasser der Preisschwankungen für Öl und Raffinerieprodukte liegen.
Was lässt sich daraus schließen? Nur Eines: Der Spot-Handel an europäischen Gas-Hubs stellt gegenwärtig keine zuverlässige stabile Quelle für die Preisbildung dar, und ein Beispiel dafür ist der vergangene Winter.
Nun zu unserer Gastransportstrategie. Die Gastransportstrategie von Gazprom ist zweifellos an unsere Gasförderungszentren gebunden. Nach der Region Nadym-Pur-Tas, die im Laufe der letzten vierzig Jahre als größtes Gasförderungszentrum galt, nahm Gazprom seine Tätigkeit in einem neuen Gasförderungszentrum auf – auf der Halbinsel Jamal. Wir steigern jährlich die Fördermengen aus der Lagerstätte Bowanenkowskoje, die grundsätzlich als Basisvorkommen des Gasförderungszentrums Jamal gilt.
Dies bedeutet aber auch, dass wir eine neue Infrastruktur für Gaslieferungen an unsere Verbraucher schaffen. Dazu gehören die Gaspipelines Bowanenkowo – Uchta, Bowanenkowo – Uchta 2, Uchta – Torschok und Uchta – Torschok 2. Der nördliche Gastransportkorridor avanciert in der Russischen Föderation grundsätzlich zur Hauptroute für Gaslieferungen und für die Gasverteilung an russische Verbraucher. Dadurch verlagern sich erheblich die Lieferströme, und der zentrale Korridor, der zuvor als Hauptroute galt, wird immer weniger ausgelastet. Wie Sie wissen, hat der zentrale Korridor eine Fortsetzung in Richtung Uschgorod und ferner nach Europa. Wegen der rückläufigen Auslastung legt Gazprom überschüssige Gastransportkapazitäten im zentralen Korridor kontinuierlich still.
Die Arbeit, die wir im Laufe der letzten Jahre leisten, wird es uns ermöglichen, bis 2020 durch die Stilllegung von Gastransportkapazitäten im zentralen Korridor 1,6 Milliarden US-Dollar einzusparen. Was die Veränderung der Gasförderungszentren und die Auslastung von Gastransportkorridoren in der Russischen Föderation betriff, so gilt dies als Basis und spiegelt sich in der Logik der Errichtung von Transportrouten für unsere Exportlieferung von Gas wieder. Der Nordkorridor wird zur Hauptroute für Gaslieferungen nach Europa. Sowohl das Projekt Nord Stream, als auch das Projekt Nord Stream 2 stellen eine logische Fortsetzung des nördlichen Gastransportkorridors in der Russischen Föderation dar.
Wenn Sie sich nicht die Landkarte, sondern die Aufnahme aus dem Weltraum ansehen, so erkennen Sie, dass die Strecke aus dem Gasförderungszentrum Jamal nach Greifswald in Wirklichkeit eine gerade Linie darstellt, die fast 2.000 Kilometer kürzer ist, als die Gastransportroute durch die Ukraine zum europäischen Markt.
Unsere neuen Ferngasleitungen im Nordkorridor sind heutzutage die modernsten in der Welt. Diese Ferngasleitungen sind für einen Betriebsdruck von 120 Atmosphären ausgelegt. Was bedeutet das? Dies bedeutet einen größeren Abstand zwischen den Verdichterstationen. Dies bedeutet eine geringere Anzahl von Verdichterstationen. Schließlich bedeutet dies einen geringeren Metallaufwand für die Projekte und eine geringere CO2-Bilanz.
Wenn wir Ferngasleitungen für 120 Atmosphären mit Ferngasleitungen für 75 Atmosphären oder für 55 Atmosphären vergleichen, so sind sie zweifellos wesentlich, geradezu ums Vielfache wirtschaftlich effizienter unter dem Gesichtspunkt der Selbstkosten von Gastransporten. Der zentrale Korridor besteht nämlich aus Ferngasleitungen mit einem Betriebsdruck von 55–75 Atmosphären.
Die wirtschaftliche Effizienz von Pipelines, die wir gegenwärtig bereits in Betrieb genommen haben und bauen, ist gegenüber Ferngasleitungen für 75 Atmosphären drei Mal höher und gegenüber Ferngasleitungen für 55 Atmosphären sechs Mal höher.
Die Arbeit, die wir leisten, um die Gastransportkapazitäten im zentralen Korridor zu optimieren, wird logischerweise darauf hinauslaufen, dass die Kapazitäten, die von den Transitmengen her für Gazprom an der Grenze zur Ukraine optimal sind, zum Jahresbeginn 2020 bei ca. 10 bis 15 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich liegen werden.
Wenn man für Gazprom die wirtschaftliche Effizienz von Gaslieferungen an die europäischen Märkte über den Nordkorridor und über den zentralen Korridor vergleicht, so erlaube ich mir, als Beispiel Mengen von 30 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich – Liefermengen an den europäischen Markt in einem Zeitraum von 25 Jahren anzuführen. Wenn man diese Mengen innerhalb dieses Zeitraums vergleicht, so sind Lieferungen an den europäischen Markt über den Nordkorridor um 43 Milliarden US-Dollar effizienter und preisgünstiger, als über den zentralen Korridor.
Hinzu kommt die sogenannte CO2-Bilanz. Heute sind die СО2-Emissionen im Nordkorridor bei Gaslieferungen nach Europa, aufs Jahr umgerechnet, um neun Millionen Tonnen СО2 geringer, als entlang der Route, die über Uschgorod führt. Ein absolut klares und eindeutiges Bild. Wir bauen unsere Gastransportstrategie vor allem ausgehend von diesen Tatsachen auf.
Nun zum asiatischen Gasmarkt. Er stellt derzeit den weltweit dynamischsten und am schnellsten wachsenden Markt mit den besten Perspektiven dar. Hierbei ist zweifellos der indische Markt hervorzuheben. Aber der wichtigste Markt – der Markt Nummer eins – ist natürlich China. Der Gasverbrauch nahm 2016 in China um sieben Prozent zu und betrug 205,8 Milliarden Kubikmeter Gas. Kennzeichnend ist, dass dabei ein psychologisch wichtiger Grenzwert überboten wurde – mehr als 200 Milliarden Kubikmeter.
Ebenso wie in Europa, decken die eigenen Fördermengen in China nicht die zunehmende Nachfrage: 2016 legten die Gasimporte auf dem chinesischen Markt um 22 Prozent zu. Wie Sie sehen, ist das mehr, als die Wachstumsrate des chinesischen Gasmarktes. Dabei weisen die Importmengen in China ein Verhältnis von etwa 50 zu 50 auf: 50 Prozent entfallen auf Pipeline-Gas und ca. 50 Prozent auf LNG-Lieferungen. Hier sei ebenfalls darauf hingewiesen, dass China im Winter seine Spitzennachfrage in erster Linie durch zusätzliche LNG-Lieferungen deckte. Dadurch unterscheidet sich nämlich der chinesische Markt vom europäischen, wo die Spitzennachfrage nach Gas im Winter durch Pipelinelieferungen gedeckt wird. Dafür gibt es im Grunde genommen nur eine Ursache: Gaslieferungen durch Pipelines aus Zentralasien befriedigen leider nicht – und das ist allen in diesem Saal wohl bekannt – jene Spitzennachfrage, die für Verbrauchermärkte typisch sind. Der chinesische Markt hat die Spitzennachfrage bislang durch zusätzliche LNG-Lieferungen gedeckt.
Ich kann sagen, dass der Vertrag zu Gazprom-Lieferungen von russischem Gas nach China in einem Umfang von 38 Milliarden Kubikmetern jährlich dieses Verhältnis von Pipeline-Liefermengen zu LNG-Liefermengen zweifellos erheblich verändern wird. Aber ich glaube, am wichtigsten ist hier, dass die chinesische Regierung ihre Politik, die auf eine Steigerung der Gasmengen im Energiemix des Landes abzielt, kontinuierlich durchsetzt. Heute liegt der Gasanteil am Energiemix von China lediglich bei sechs Prozent. Aber für dieses Planjahrfünft wurden Richtwerte vorgegeben, nach denen der Gasanteil am Energiemix auf 8,3 Prozent bis 10 Prozent erhöht werden soll. Wie Sie verstehen, bedeutet eine Zuwachsrate auch nur von einem Prozent im Energiemix bei derartigen Verbrauchsmengen dutzende Milliarden Kubikmeter zusätzlicher benötigter Gasmengen. Es ist auch absolut klar – und das erkennen wir ausgezeichnet –, dass die Verbrauchsmengen von Gas in China in kürzester Zeit den Stand von 300 Milliarden Kubikmetern und mehr erreichen werden. Dies sind zweifelsohne sehr große und beeindruckende Zahlen der zusätzlichen Nachfrage nach Gas, unter anderem nach Gaslieferungen durch Pipelines.
Es macht mir eine große Freude festzustellen, dass zwischen Gazprom und dem CNPC-Konzern, unserem Hauptpartner in China, binnen eines sehr kurzen Zeitraums sehr freundschaftliche, konstruktive und geschäftliche Beziehungen entstanden sind. Wir haben mit CNPC ein Abkommen über strategische Partnerschaft abgeschlossen. In den letzten Jahren hat unsere strategische Partnerschaft mit CNPC in sehr vielen Geschäftsfeldern an Substanz gewonnen. Es ist in der Tat eine strategische Zusammenarbeit. Als Basisprojekt gilt für uns selbstverständlich grundsätzlich die Gaspipeline Power of Siberia – die Ostroute für Gaslieferungen nach China. Aber wir führen mit unseren chinesischen Kollegen Verhandlungen über eine Aufstockung von Gaslieferungen fort. Es besteht unter anderem eine Vereinbarung, dass wir unsere Zusammenarbeit an der Ostroute erweitern werden. In diesem Jahr haben wir mit unseren Partnern von CNPC Geschäftsverhandlungen über Lieferungen von Pipeline-Gas aus den Regionen des russischen Fernen Ostens aufgenommen. Dabei planen wir, uns bis Ende 2017 auf grundsätzliche Konditionen für Gaslieferungen aus dem Fernen Osten zu einigen. In erster Linie entwickelt sich unsere strategische Zusammenarbeit mit CNPC im Bereich Pipeline-Gas.
Was aber sehr wichtig ist, wir haben in letzter Zeit absolut konkrete, gegenständliche Projekte auf anderen Gebieten unserer Zusammenarbeit angesteuert. Dies trifft in erster Linie auf unterirdische Gasspeicherung zu. Kürzlich unterzeichneten wir in China am Rande eines Forums, das vor ein paar Wochen stattgefunden hatte, drei Verträge über die gemeinsame Umsetzung von Projekten zur Gasspeicherung.
Wir unterzeichneten ein Abkommen über die gemeinsame Umsetzung eines Projekts zur Stromerzeugung aus Gas. Es geht um das Kraftwerk Xinyuan mit einer Sollleistung von 900 Megawatt.
Wir unterzeichneten ein Abkommen über Zusammenarbeit im Bereich Gaskraftstoff. Dabei geht es konkret um das Projekt zum Bau der Verkehrsstraße von Europa nach Westchina.
Hierbei möchte ich betonen, dass wir dem Abkommen, das wir mit CNPC über die gegenseitige Anerkennung von Konformitäts- und Standardisierungsergebnissen für Produkte unterzeichnet haben, konkrete Inhalte verliehen haben. Dies spricht dafür, dass unsere Zusammenarbeit logistische Fragen umfasst, die darunter mit Lieferungen von Ausrüstung für die Gasbranche verbunden sind.
Ich möchte noch einmal betonen: All diese Projekte und all diese Vereinbarungen zeugen davon, dass wir innerhalb eines sehr geringen Zeitraums dem Abkommen über strategische Zusammenarbeit mit CNPC, unserem Hauptpartner in China, konkrete Inhalte verliehen haben.
Gaslieferungen nach Europa wurden 1968 aufgenommen, sie erfolgten nach Österreich. Im kommenden Jahr werden wir nicht nur die 50-jährigen Lieferungen nach Österreich, sondern auch an den europäischen Markt begehen. Dies ist zweifellos ein bemerkenswerter Meilenstein und ein sehr großes Jubiläum. Wir sind uns ausgezeichnet darüber im Klaren, dass Gazprom und unsere europäischen Partner dieses Jubiläum mit neuen Rekorden begehen werden, die uns alle demnächst erwarten.