Rede von Alexey Miller bei der Podiumsdiskussion „Gas als effektives Instrument für die Durchsetzung ökologischer Ziele der globalen Wirtschaft“ auf dem Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum

Sankt Petersburg

Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion,

seien Sie herzlich begrüßt. Vielen Dank für Ihr so großes Interesse an dem Thema, das heute zur Diskussion steht: „Gas als effektives Instrument für die Durchsetzung ökologischer Ziele der globalen Wirtschaft“.

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Die Weltwirtschaft benötigt tatsächlich immer mehr Energieressourcen. Deshalb bedeutet Wirtschaftswachstum in erster Linie einen zunehmenden Energieverbrauch. In den vergangenen 20 Jahren stieg der Verbrauch primärer Energieressourcen weltweit um das fast Anderthalbfache und in der Elektroenergiewirtschaft um rund 80 Prozent. Wenn wir uns indessen die Struktur des derzeitigen Weltenergiemixes anschauen, so erkennen wir, dass der Weltenergiemix eigentlich zu 80 Prozent aus klassischen fossilen Brennstoffen besteht: Dies sind Erdöl, Kohle und Gas. Lediglich drei Prozent entfallen auf Solar- und Windenergie.

Im Grunde genommen war der fast ums Anderthalbfache angestiegene Verbrauch primärer Energieressourcen zu 85 Prozent durch fossile Brennstoffe abgedeckt. Dabei hatte Gas einen erheblichen Anteil von 25 Prozent am Gesamtergebnis. Was erneuerbare Energiequellen betrifft, so belief sich deren Beitrag zu diesem absoluten Zuwachs in den vergangenen 20 Jahren lediglich auf acht Prozent. Wir fixieren, dass sowohl aus Sicht des Anteils am Weltenergiemix als auch aus Sicht des Beitrags erneuerbarer Energiequellen zum weltweit zunehmenden Energieverbrauch nicht erkennbar ist, dass erneuerbare Energiequellen eine dominierende Stellung einnehmen, geschweige denn einen dominierenden Beitrag zur Struktur des Weltenergiemixes leisten.

Dabei sollte auch betont werden, dass der zunehmende Verbrauch primärer Energieressourcen ums Anderthalbfache mit einer Steigerung von CO2-Emissionen ebenfalls ums Anderthalbfache einherging. Wenn man von erneuerbaren Energiequellen spricht, so ist festzustellen, dass 40 Prozent der Erdbewohner zum Kochen Brennholz benutzen. Unter den Spitzenreitern erneuerbarer Energiequellen liegen auf Rang eins die alte gute Wasserkraftwirtschaft und das ebenso alte gute Brennholz. Der Anteil von Solar- und Windenergie ist in Wirklichkeit immer noch unbedeutend. Obwohl in den letzten zehn Jahren in Solar- und Windenergie gewaltige Investitionen von 2,5 Billionen US-Dollar geflossen sind, betrug der Zuwachs der installierten Leistung in diesem Sektor 700 Gigawatt. Insgesamt sind es 770 Gigawatt Solar- und Windenergie, die ca. fünf Prozent der gesamten Stromerzeugung weltweit ausmachen.

Andererseits ist festzustellen, dass die CO2-Zielwerte nicht erreicht werden. Wie wir sehen, ändert sich die Struktur des Weltenergiemixes nicht und bleibt recht stabil. Dieses Verhältnis des zunehmenden Energieverbrauchs und der Steigerung von СО2-Emissionswerten blieb im Laufe der letzten Jahrzehnte stabil und unverändert.

Offensichtlich können wir heute sagen, dass die Festlegung allein auf erneuerbare Energiequellen heutzutage nicht funktioniert. Die „totale Dekarbonisierung der Weltwirtschaft“ als Zielsetzung ist schlicht und einfach eine Utopie. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass in den nächsten 20 Jahren fossile Energiequellen weiterhin ebenfalls eine große Rolle spielen werden. Aber vor allem müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass gerade in diesem Anteil fossiler Energiequellen sich die wesentlichsten Wandlungen vollziehen werden dank Produktionswachstum, zunehmendem Verbrauch von Erdgas und dementsprechend einem steigenden Anteil von Erdgas im Weltenergiemix.

Heute hat Gas einen Anteil von rund 22 Prozent am Weltenergiemix. Gas liegt sowohl hinter Erdöl als auch hinter Kohle. Dabei wissen wir alle, dass Erdöl der hauptsächliche Energieträger ist.

Was geschieht bis 2035? Zumindest wird es dazu kommen, dass der Gasanteil am Weltenergiemix dem Erdölanteil gleichkommen wird. Wir sind optimistisch und meinen, dass dieser Anteil größer sein wird. Aber die Zielsetzung für den nächsten Zeitraum, bis 2035 dem Erdölanteil gleichzukommen, ist absolut realistisch. Vor allem aber bestätigen alle Trends, die sich aktuell an den Weltenergiemärkten abzeichnen, dass es genau so und nicht anders sein wird.

Wenn wir indessen von erneuerbaren Energiequellen sprechen – wir haben erwähnt, dass in die Solar- und Windenergie gewaltige Geldmittel investiert worden sind – so fixieren wir zweifellos, dass in diesem Sektor der Anteil der Stromerzeugung zugelegt hat. Wir fixieren aber auch, dass unter dem neuen Gesichtspunkt, unter dem neuen Blickwinkel Sicherheitsprobleme entstanden sind. Es geht unter anderem darum, dass die Solar- und Windenergie eine praktisch 100-prozentige Reservierung von Kapazitäten traditioneller Brennstoffe, eine Bewahrung dieser Kapazitäten und eine Bewahrung bestehender Liefermodelle für diese traditionellen Brennstoffe verlangen. Dies ist ein Aspekt. Das sind absolut neue Herausforderungen auf dem Gebiet der Energiesicherheit. Sie wollen Solar- und Windenergie? Na bitte schön, investieren Sie, bauen Sie, aber Sie müssen auch daran denken, dass Sie eine praktisch 100-prozentige Reservierung benötigen.

Der zweite Aspekt, der sehr wichtig ist und aus dem ersten abgeleitet wird, sind Fragen der Wettbewerbsfähigkeit dieser Art von Modell, bei dem erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind entwickelt werden und eine 100-prozentige Reservierung erfolgt. Dabei wissen wir ausgezeichnet, dass Beispiele derartiger Modelle und Ansätze lediglich Beispiele für Zuschüsse auf Kosten der Endverbraucher sind. Da stellt sich jedoch die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit derartiger Wirtschaftsmodelle. Die Antwort ist bislang unerfreulich. Diese Modelle sind wirtschaftlich nicht allzu effizient bzw. ganz und gar nicht effizient aus wirtschaftlicher Sicht.

Was Gas betrifft, so sind wir uns alle zweifellos darüber im Klaren, dass Gas sehr wichtige Wettbewerbsvorteile hat. Gas ist der sauberste fossile Brennstoff. Die Gasvorräte sind groß. Diese Vorräte sind für die gesamte Menschheit zugänglich. Vor allem aber gibt es gegenwärtig weitgehend entwickelte Technologien für Gasförderung, –transport und –speicherung. Das Gasgeschäft ist außerdem hochprofitabel.

Wenn wir sagen, dass die absoluten Gasmengen im Weltenergiemix und der Gasanteil zunehmen werden, so sprechen wir davon, dass dieses Wachstum in erster Linie durch die Elektroenergiewirtschaft und den Verkehr sichergestellt wird. Wenn wir alle Vorteile von Gas als fossilem Brennstoff aufzählen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass Gas in jedem dieser Sektoren Wettbewerbsvorteile hat.

Wenn es um die Elektroenergiewirtschaft geht, so ist es eine sauberere und sicherere Elektroenergie, die für Investitionen attraktiv ist: Sie ist wirtschaftlich effizient und zugkräftig. Der interne Zinsfluss aus Projekten des Dampf- und Gaszyklus liegt durchschnittlich bei 14–15 Prozent. Ferner fixieren wir, dass der Dampf- und Gaszyklus eines Gaskraftwerkes ganz schnell aufgebaut werden kann. Die Umstellung seines Betriebs nimmt buchstäblich ein paar Minuten in Anspruch. Im Gegensatz zu Kohlekraftwerken, in denen es um Stunden geht. Oder zu Kernkraftwerken, in denen es um mehrere Tage geht.

Dieser flexible Betrieb von Gaskraftwerken ist zweifellos ein solider Wettbewerbsvorteil von Gas in der Elektroenergiewirtschaft. Und nicht nur in der Elektroenergiewirtschaft, weil wir uns darüber im Klaren sind, dass dies eine Kraft-Wärme-Kopplung ist. Das ist ein Vorteil der Wärmeenergiewirtschaft. Wenn es zum Beispiel um ein Land wie Deutschland geht, so beträgt in Deutschland der Gasanteil an der Wärmeenergiewirtschaft im Wohnungssektor 50 Prozent.

Wenn es um den Verkehr geht, so bestehen die Wettbewerbsvorteile von Gas darin, dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, erheblich einzusparen und seine Kosten zu senken. Wenn wir uns den europäischen Markt anschauen, so ist komprimiertes Erdgas (CNG) um 48 Prozent preiswerter als Benzin und um 31 Prozent preiswerter als Diesel. Für zehn Euro kann man mit einem CNG-betankten Fahrzeug eine ums 2,4fache längere Strecke zurücklegen als mit Benzin, und eine ums 1,7fache längere Strecke als mit Diesel. Dabei ist die CO2-Bilanz von Gas im Verkehr um rund 20–30 Prozent geringer gegenüber herkömmlichen Brennstoffarten.

Deshalb sagen wir, dass der Gasanteil bezogen auf die absoluten Verbrauchsmengen im Weltenergiemix bis 2035 zunehmen wird. Wir sagen, dass sein Anteil steigen, dem Erdöl gleichkommen bzw. dessen Anteil überbieten wird. Andererseits sagen wir, dass dies in erster Linie in den Sektoren der Elektroenergiewirtschaft und des Verkehrs erfolgen wird.

Auf diese Weise wird Gas für die Russische Föderation in den nächsten Jahrzehnten eine strategische Ressource unserer Entwicklung sein. Auf unsere Gasbranche wird sich natürlich in erster Linie die Nähe der beiden größten und dynamischsten Märkte auswirken: des europäischen und des chinesischen Marktes.

Wenn wir vom europäischen Markt reden, so sehen wir, dass er einen Anstieg der Nachfrage um fünf Prozent aufweist. Wir sprechen auch davon, dass es in Europa einen anderen für uns sehr wichtigen Trend gibt, der die zunehmende Nachfrage nach russischem Gas sicherstellt: Das ist die rückläufige Eigenförderung. In den letzten zehn Jahren schrumpften die eigenen Fördermengen in Europa um 37 Prozent und in Deutschland um 71 Prozent. Deutschland deckt mit eigenen Ressourcen heutzutage nur sieben Prozent des eigenen Gasverbrauchs ab.

Wenn es um absolute Vorratsmengen geht, so schrumpften die nachgewiesenen Vorräte in Europa seit 2006 um 1,5 Billionen Kubikmeter, während die Restvorräte bei lediglich 1,3 Billionen Kubikmetern liegen. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass eine Nische für neue Importmengen, eine Nische für neue Exportlieferungen von russischem Gas an den europäischen Markt entsteht. Daher sagen wir, dass die Eigenförderung in Europa bis 2035 weiterhin ums Zweifache zurückgehen wird und zusätzliche Möglichkeiten für Gaslieferungen auf ca. 200 Milliarden Kubikmeter geschätzt werden. Dabei wird ein wesentlicher Anteil dieser 200 Milliarden Kubikmeter zweifellos auf russisches Gas entfallen. Denn es ist Ihnen bekannt, dass wir so viel Gas nach Europa liefern können, wie Europa benötigt.

Wenn wir vom chinesischen Markt sprechen, so wies er 2017 eine Zunahme der Nachfrage um mehr als 15 Prozent auf. Dies ist die höchste Nachfrage in den letzten Jahren. Die Gasimporte stiegen fast um 30 Prozent. Die Verbrauchsmengen betrugen 2017 in China 237 Milliarden Kubikmeter. Dabei beginnt sich China intensiv mit akuten Umweltproblemen zu befassen. Die Ziele, die sich China bis 2020 setzt, erscheinen als absolut realistisch: Die Verbrauchsmengen sollen 360 Milliarden Kubikmeter Gas betragen, sein Anteil am Energiemix Chinas soll von sieben Prozent auf zehn Prozent steigen.

Der letzte Winter verlief in China so, dass wegen Gasdefizits Alarmstufe Orangen ausgerufen wurde. Dabei ist zu erwähnen, dass es für den chinesischen Markt angesichts der eben erwähnten Situation zweifellos wichtig ist, bei Importen die Parität zwischen Mengen von Pipelinegas und verflüssigtem Erdgas zu bewahren. Diese Parität muss dementsprechend bei etwa 50/50 bzw. etwas weniger oder mehr liegen. Dabei ermöglichen es gerade Pipelinelieferungen von zuverlässigen Lieferanten, die Spitzenzeiten im Herbst und Winter zu überstehen. Dies spricht dafür, dass wir mittelfristig – bis 2035 – sehen, dass die Nische für zusätzliche Liefermengen von Pipelinegas nach China ca. 180–200 Milliarden Kubikmeter bedeutet. Nach unseren Schätzungen werden 80–100 Milliarden Kubikmeter dieser Mengen auf russisches Pipelinegas entfallen.

Die zweite Hälfte dieser Importlieferungen entfällt auf LNG. Angesichts des chinesischen Wirtschaftswachstums und des zunehmenden Verbrauchs wird sich zweifellos auch eine zunehmende Nachfrage nach LNG abzeichnen. Laut unseren Schätzungen in Milliarden Kubikmetern werden es 150–180 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2035 sein. Für LNG bedeutet dies 110–130 Millionen Tonnen. Das heißt, dass China mit 30 Prozent am globalen Wachstum des LNG-Marktes beteiligt sein wird.

Wir berücksichtigen in unseren Plänen zweifellos sämtliche Trends, von denen wir jetzt sprechen. Es geht in erster Linie um große Infrastrukturprojekte. Am 20. Dezember nächsten Jahres beginnen wir mit Gaslieferungen nach China über die Pipeline Power of Siberia. Was den europäischen Markt betrifft, so ist Ihnen bekannt, dass wir den Bau des ersten Strangs des Offshore-Abschnitts der TurkStream abgeschlossen haben und bereit sind, mit dem Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zu beginnen.