Rede von dem Vorstandsvorsitzenden der PAO Gazprom, Alexey Miller, bei der Plenartagung „Neue Herausforderungen – neue Möglichkeiten. Was erwartet den internationalen Öl- und Gasmarkt?“ im Rahmen des Internationalen Forums „Russische Energiewoche 2022“

Stenogramm

Moderatorin: Sehr geehrter Herr Miller, die europäischen Länder reden gegenwärtig sehr aktiv darüber, dass sie winterbereit seien, dass ihre UGS praktisch zu 90 Prozent gefüllt seien. Und dabei erfolgen LNG-Lieferungen. Wie bewerten Sie aber die Bereitschaft Europas zu einem risikofreien Ablauf des Winters?

Alexey Miller: Vielen Dank für die Frage. Wenn man aber die Brisanz der Frage umreißt, so muss man betonen, dass seitens der europäischen Verbraucher, seitens der europäischen Politiker die Frage mehrheitlich so formuliert wird: „Wird Europa den anstehenden Winter mit jenem Gasvorrat überstehen, den es akkumuliert hat?“.

Alexey Miller. Foto: Bilddatenbank von Roscongress
Alexey Miller. Foto: Bilddatenbank von Roscongress

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Ja, wenn man vom prozentualen Anteil des Arbeitsgases spricht, das heute in europäischen Speicheranlagen akkumuliert worden ist, so ist er kein geringer, 91 Prozent. Die Frage muss man aber in zwei aufgliedern. Die erste ist: Dies ist die Arbeitsgasmenge, die insgesamt in den Untergrundspeichern Europas akkumuliert worden ist. Und die zweite ist die Möglichkeit einer Bewältigung der Herbst- und Winterspitzenzeiten durch europäische Untergrundspeicher. Dies sind unterschiedliche Fragen. Es muss gleich betont werden, dass die 91 Prozent des Füllstands der Untergrundgasspeicher in diesem Jahr vom Wesen her eine völlig andere Zahl als jene ist, die es im vergangenen Jahr gegeben hat, vor einigen Jahren. Warum? Weil es zum heutigen Tag eine völlig andere Logistik gibt, vollkommen andere Quellen für die Gasversorgung des europäischen Marktes. Und dies bedeutet, dass die Bürde, die auf den Untergrundspeichern Europas liegt, augenscheinlich eine erheblich größere als in den vorangegangenen Jahren sein wird.

Wenn man von der Menge an Arbeitsgas in den Untertagespeichern Europas spricht, so muss man in erster Linie über Deutschland sprechen. Gerade Deutschland ist das Land, das die größten Untergrundspeicher, die vom Umfang her größten Möglichkeiten für ein Einspeichern von Arbeitsgas besitzt. Diese Menge macht aber bei einer 100-prozentigen Einspeicherung 21,5 Milliarden Kubikmeter Gas aus. Deutschland wird offensichtlich rund 20 Milliarden einspeichern. Laut Schätzungen, die von retrospektiven Daten ausgehen, wird Deutschland in der anstehenden Herbst-Winter-Periode 60 Milliarden Kubikmeter Gas verbrauchen, möglicherweise etwas mehr. In der ganzen Herbst-Winter-Periode. Dies bedeutet, dass das Gas in den Untergrundspeichern Deutschlands für zwei, maximal für zweieinhalb Monate ausreichen wird.

Und es gibt natürlich unterschiedliche Prognosen. Und es kann nur Prognosen geben, da wir begreifen, dass die Bewältigung der Herbst-Winter-Periode ebenfalls von der Temperatur auf der Straße abhängt, von einer tiefen. Es kann einen anormal kalten Winter geben. Es gibt aber natürlich sowohl optimistische als auch sehr pessimistische Prognosen. Und die sehr pessimistischen besagen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ausspeicherung von Gas im März des Jahres 2023 in europäischen Speicheranlagen rund fünf Prozent bleiben würden.

Ja, Europa wird es überstehen. Nur was wird mit der Einspeicherung bereits zum Winter 2023/2024? Und da wird klar, dass die Energiekrise nicht für eine kurze Zeitspanne gekommen ist. Und die Ursachen für die Energiekrise tragen einen Systemcharakter.

Wie wir aber betont haben, ist insgesamt die Arbeitsgasmenge, der Umfang der Einspeicherung von Gas – sowohl in Deutschland als auch in Europa – tatsächlich nur ein Teil der Frage. Es gibt einen weitaus brisanteren Teil der Frage, der da heißt „Ablauf der Winter-Spitzenlastzeit“.

Ja, und das Überstehen der Spitzenlastzeit im Winter... Sie wissen: Der Winter kann ein relativ warmer sein. Ja, aber irgendeine Woche oder gar fünf Tage, die anormal kalte sein werden... Und Sie wissen, innerhalb dieses kurzen Zeitraums können – Gott bewahre – ganze Städte, ganze Gebiete einfrieren.

Lassen Sie uns über die Zahlen der Bilanz für Spitzenlastzeiten sprechen. Gazprom lieferte in den vergangenen Jahren für den europäischen Markt 600 bis 700 Millionen Kubikmeter Gas täglich in den Winter-Spitzenlastzeiten. Sogar etwas mehr, als ein kalter Antizyklon, das allen gut bekannte „Beast from the East“, hereinbrach. Wenn man aber von Spitzenmengen der Lieferungen und darüber spricht, wie viel Gas in der täglichen europäischen Bilanz nicht ausreichen werde, so nennen europäische Experten heute eine astronomische Zahl. 800 Millionen Kubikmeter Gas könnten Europa im Verlauf eines Tages bei extrem starken Frösten nicht ausreichen. Dies ist ein Drittel des gesamten europäischen Verbrauchs.

Natürlich, um diese Situation wissen Analytiker, Experten, Fachministerien und die Unternehmen, die auf dem europäischen Markt arbeiten. Und natürlich bereitet man auch einen Maßnahmenplan vor, um damit fertig zu werden. Lassen Sie uns ein wenig über jene Maßnahmen sprechen, die empfohlen werden. Und in was für einem Maße sie überhaupt realistisch sind.

Foto: Bilddatenbank von Roscongress
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Als erstes wird die Einführung eines Systems von Quoten vorgeschlagen. Ein Quotensystem, während eine Formel für die Bestimmung von Quoten fehlt, während es keine Kriterien für die Quotenbestimmung gibt. Und überhaupt, in dem es keinen Mechanismus für eine Bestrafung jener gibt, die diese Quotenvorgaben nicht einhalten. Einen sehr großen Zweifel löst solch ein Mechanismus zur Hochzeit der Herbst-Winter-Periode aus, eine sehr große Frage.

Ein anderer Vorschlag, Herr Präsident hat heute darüber gesprochen, ist die Einführung eines Preisdeckels. Unter anderem die Einführung eines Preisdeckels für Gas. Sie wissen aber: Wenn man solche Vorschläge hört, kommen einem die Worte unseres gut bekannten Liedes „Eine mit Eis überzogene Zimmerdecke, eine knarrende Tür“ in den Sinn. Und weiter entsprechend dem Text. Vergessen Sie nicht unsere russische Kultur, studieren Sie die. Und es muss begriffen werden, dass es heute keinerlei Nötigung der Gasproduzenten zu dem einen oder anderen Preisverhalten gibt und nicht geben kann. Eben daher ist die „mit Eis überzogene Zimmerdecke“ ein sehr anschauliches Bildchen dessen, was dies für vorgeschlagene Maßnahmen sind.

Jetzt sehr ernsthafte und umfangreiche finanzielle Interventionen. Das, was als „Subventionierung der Gaspreise“ bezeichnet wird. Die Zahlen, die genannt werden, sie sind einfach astronomische. Und das Problem oder gar die Probleme, die sich zusätzlich ergeben, sie sind noch mehr systembedingte. Und solch einen Weg hat Deutschland eingeschlagen. Deutschland sagt da, dass sie bereits 200 Milliarden Euro für eine Subventionierung der Gaspreise bereitgestellt hätten. Was bedeutet dies? Dies bedeutet ein uneingeschränktes Einspeichern von Gas in die Speicheranlagen, ohne Restriktionen. Aber von sehr, sehr teurem Gas. Die erste Schlussfolgerung, die sich ergibt: Das ist ein Urteil gegen eine geringe Inflation. Es ist einfach ein Urteil.

Zweitens: Da belegt aber das, was bereits zur Wirkung gebracht wurde, dass es keinerlei europäischen Gasmarkt gibt. Dies ist bereits kein Markt.

Und drittens: Die sogenannte europäische Solidarität wird überhaupt gefährdet. Denn die einen Volkswirtschaften der Europäischen Union, die stärkeren, haben solche Möglichkeiten, die anderen Volkswirtschaften haben aber keine solchen Möglichkeiten. Dabei hat man auch allen in ähnlichen Situationen hinsichtlich anderer Produkte und anderer wirtschaftlicher Kollisionen gesagt, dass man so nicht vorgehen dürfe. Und da stellt sich heraus, ja, in der Situation mit Gas – da kann man es. Und dabei in solch gewaltigen Dimensionen. Letzten Endes aber ist dies teures Gas. Wozu wird dies führen? Dies wird zu einer Deindustrialisierung führen, zu einer Deindustrialisierung Europas. Die Methoden aber, die Schritte, die vorgeschlagen werden, sind auch sehr interessante – eine Nationalisierung: eine Nationalisierung des Gasmarktes von Deutschland, eine Nationalisierung von Gashandelsunternehmen. Was ist dies aber, eine Nationalisierung? Dies bedeutet, dass Ausgaben auf den Etat umgelegt werden müssen. Das heißt: Die Ausgaben werden auf Steuerzahler verlagert.

Moderatorin: Und wozu wird dies alles führen?

Alexey Miller: Wozu dies alles führen wird? Sie wissen, ein Wirtschaftswachstum, dies ist eine Zunahme des Energieverbrauchs. Und heute ist bereits hervorgehoben worden, dass der sogenannte Wohlstand der Europäischen Union und in Sonderheit Deutschlands im Verlauf einer sehr langen Zeit auf billigen Energieressourcen aus Russland beruhte. Und angedauert hat dies mehr als 50 Jahre. Wozu führt dies? Die billige Energieressource, das Gas, hat in Deutschland einen mehr als 100fachen Kreditvorlauf für eine wohlbehaltene Finanzierung der deutschen Industrie beschert. Faktisch ist dies ein Schlag gegen das Wirtschaftsmodell, das bis in die jüngste Vergangenheit existierte. Ein sehr ernsthafter Schlag.

Was für Vorschläge erklingen noch? „Lassen Sie uns ein Verbraucher-Kartell etablieren“. Kein origineller Vorschlag. Sie wissen aber: Wir spielen Spiele, und dies gemäß Regeln, die wir konzipierten. Und wir spielen keine Spiele entsprechend Regeln, die nicht wir ausgedacht haben. Es hat keinerlei Verbraucher-Kartelle auf unseren Schlüsselmärkten gegeben. Aber wissen Sie, einige Experten sprechen davon, dass einfach eine gewisse Erwähnung der Möglichkeit der Etablierung einer Gas-OPEC eine sehr ernsthafte Investition in die Gaspreise sei.

Zur Frage darüber zurückkehrend, wird Europa mit dem Umfang der Gaseinspeicherung in die Untergrundspeicher, den es heutzutage hat, den Winter überstehen oder nicht? Die Antwort ist eine sehr simple – es kann keiner keinerlei Garantien geben.

Moderatorin: Herr Miller, in seinem Auftritt hat Herr Präsident bereits die Situation, die sich an den Nord-Stream-Pipelines, sowohl an der ersten als auch an der zweiten ergeben hat, als einen Akt internationalen Terrorismus bezeichnet. Schweden hat schon offiziell erklärt, dass es die russische Seite nicht zur Untersuchung aller Details des Zwischenfalls hinzuziehe. In dem Fall, wenn es einen Willen seitens Europas, die Bitte um ein Durchpumpen von Gas durch den möglicherweise unversehrt gebliebenen zweiten Strang von Nord Stream 2 gibt, hat denn Gazprom heute die Ressourcen? Und wie viel Zeit wird für die Vornahme aller Arbeiten, um ein Durchpumpen zu beginnen, erforderlich sein? Und sind wir im Bedarfsfall – erneut seitens Europas – bereit, an der Reparatur und Inbetriebnahme der drei anderen Stränge teilzunehmen? 

Alexey Miller: Danke für die Frage. Uns hat man bisher nicht an die Havariestellen gelassen. Dies sind, denke ich, solche Striche zu der aktuellen Situation. Dies als erstes. In der Tat, der zweite Strang, der Strang B von Nord Stream 2, befindet sich unter Druck. Vielleicht weist er Beschädigungen auf. Es gibt dort aber absolut bestimmt keine Gasaustritte. Und Ihre Frage beantwortend: Natürlich muss man die Situation hinsichtlich Nord Stream 2 und hinsichtlich Nord Stream 1 trennen.

Lassen Sie uns mit Nord Stream 2 beginnen. Wenn ein Strang unversehrt geblieben ist... Sie wissen, dass Gazprom absolut alle Kräfte, alles Wissen, alle Erfahrungen und all unsere technologischen Möglichkeiten aufgeboten hat, um zu den erforderlichen Terminen diese Gastransportkapazitäten von Nord Stream 2 zu schaffen. Wie Sie verstehen, haben wir diese neue Offshore-Exportroute für Europa und für Deutschland als Käufer und als unsere Auftraggeber geschaffen. Dies ist nicht irgendeine Eigeninitiative von Gazprom, solche Gasfernleitungen durch die Ostsee zu bauen.

Moderatorin: Ja, und auch noch solche teuren.

Alexey Miller: Ja, und auch noch solche teuren. Ich würde gern das Augenmerk darauf lenken, dass nicht nur Offshore-Gaspipelines kostspielige sind. Ihre Aufmerksamkeit sei aber auch auf jenen Teil der Gastransportinfrastruktur gelenkt, die für diese Gaspipelines auf einem ausgedehnten Territorium der Russischen Föderation geschaffen wurde. In Europa mag man irgendwie nicht sehr, darüber zu sprechen und sich gar dessen zu erinnern. Und als da alles errichtet worden war, alles rechtzeitig gebaut worden war – und ich unterstreiche: errichtet im Auftrag der Europäischen Union und Deutschlands –, sagte man, dass nein, wissen Sie, da sind erstens, die Sanktionen, zweitens, das Dritte Energiepaket, die Zertifizierung und so weiter und so fort. Und überhaupt, wir haben da hier unsere Zwölfmeilenzone, die Territorialgewässer Deutschlands. Und da gilt überhaupt ein besonderes Regime und so ferner.

Der zweite Strang steht unter Druck. Daher können wir hier eindeutig sagen, dass der Ball auf der Seite der Europäischen Union, der von Deutschland ist. Wenn die Gaspipeline ein Zertifikat bekommt, können wir die Gaslieferungen sofort beginnen.

Was die Havarien an den Gasleitungen angeht – dies sind Nord Stream 2 und Nord Stream 1.

Nord Stream 2. Erstens, hier muss betont werden, dass sich die Gaspipeline unter Sanktionen befindet. Und es muss hervorgehoben werden, dass Nord Stream 2 zum gegenwärtigen Zeitpunkt bisher noch nicht genutzt worden ist. Und dementsprechend ist dies nicht irgendein sofortiger automatischer Beginn der Lieferungen an jene Abnehmer, für die die Lieferungen aufgrund dieser Störfälle unterbrochen wurden. Da sie nicht betrieben worden ist, hat es keinerlei Unterbrechung von Gaslieferungen nach Europa und nach Deutschland gegeben.

Im Unterschied zur Situation hinsichtlich Nord Stream 1. Da es Lieferungen durch Nord Stream 1 gegeben hat. Und unterbrochen wurden sie, bevor sich die Akte internationalen Terrorismus an den beiden Strängen von Nord Stream 1 ereigneten, muss man begreifen, dass die Wiederherstellung von Nord Stream 1 noch mit einem sehr ernsthaften technologischen Problem verbunden ist. Dies sind die Turbinen des Unternehmens Siemens auf der Verdichterstation Portowaja. Also denn, zum heutigen Tag muss man verstehen, dass es keine Antwort auf die Frage gibt: „Wie und wozu soll man die Stränge von Nord Stream 1 wiederherstellen, wenn sich die Turbinen auf der Verdichterstation Portowaja in keinem einsatzfähigen Zustand befinden?“.

Sie wissen: Als Herr Präsident von Akten internationalen Terrorismus sprach, gerade so hat er heute in seiner Ansprache über diese Explosionen gesprochen, muss man die Aufmerksamkeit darauf lenken, wie das Vorgefallene seitens der europäischen Länder bezeichnet und bewertet wird. Es ist interessant. Es stellt sich heraus: Dies ist „Sabotage“. Kein Akt internationalen Terrorismus, sondern Sabotage.

Überhaupt ist „Sabotage“ ein französisches Wort, das unter anderem bedeutet „einen Holzschuh – einen Sabot – werfen bzw. mit ihm herumklopfen“. Wissen Sie, es entsteht solch ein Eindruck, dass irgendwem das politische Lexikon aus den Anfängen der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sehr gefällt. Und wenn man sich da umschaut, wird man sich auch der Formulierung „ich werde Dir zeigen, wo der Hammer hängt“ erinnern.

Wir stellen uns aber die Frage: Wie viel Zeit ist für eine Instandsetzung der beschädigten Stränge erforderlich? Und hier muss betont werden, dass das Problem nicht einmal so sehr ein technologisches ist, obgleich es auch technologisch ein sehr schwieriges ist.

Erstens, dies ist eine politische Frage. Sowohl die EU als auch Deutschland müssen eine deutliche, eine klare politische Antwort darauf geben, dass sie interessiert sind und wollen, dass diese Stränge wiederhergestellt werden. Und sie Garantien für einen weiteren sicheren Betrieb dieser Stränge geben. Es gibt Sanktionsfragen, es gibt wirtschaftliche Fragen sowie juristische Fragen. Und nur nach Klärung all dieser Fragen kann man eine technologische Instandsetzung, die Wiederherstellung der Unversehrtheit der gesprengten Gaspipelines in Angriff nehmen. Wenn man eine Schätzung bezüglich der Zeit abgeben soll, so ist dies nicht ein einziges Jahr. Dies ist eine recht lange Geschichte.

Heute erklangen von dieser Tribüne Worte von Herrn Präsident über TurkStream. Wissen Sie, man kann wirklich, aus der Sicht selbst einer Instandsetzung der Stränge der gesprengten Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 weitaus schneller anstelle der Gastransportkapazitäten, die im Offshore-Bereich im Norden verloren worden sind, Kapazitäten im Bereich des Schwarzen Meeres schaffen. Wie alle gut wissen, verläuft TurkStream nur durch zwei Wirtschaftszonen, der von Russland und der von der Türkei, und dementsprechend durch die Territorialgewässer Russlands und der Türkei. Aber die Tiefe ist dort nicht wie in der Ostsee, sondern zwei Kilometer und 150 Meter. Zweifellos hat sich TurkStream bereits als eine zuverlässige Route für Gaslieferungen in die Türkei, an unseren treuen Partner, sowie an den europäischen Markt erwiesen. Augenscheinlich wird die Frage dazu bestehen, dass die eingebüßten Kapazitäten im Norden, in der Ostsee, ins Gebiet des Schwarzen Meeres verlegt werden können. Dies ist eine aktuelle und zeitgemäße Fragestellung.

Moderatorin: Das heißt, es ergibt sich, dass wir technisch bereit sind, dort einen Hub zu etablieren, von dem das Staatsoberhaupt gesprochen hat?

Alexey Miller: Technisch sind wir bereit, Gastransportkapazitäten zu schaffen. Das, was einen Hub angeht, man kann zweifellos die Frage nach einem Handelsplatz an der Grenze der Europäischen Union und der Türkei erörtern.

Moderatorin: Herr Miller, Sie haben in Ihrem Auftritt sowie Herr Präsident und jetzt auch Herr Alexander Novak über eine Umverteilung und Neuausrichtung – darunter der Exportkapazitäten – gesprochen. Wenn man aus der Sicht von Gazprom spricht, wie werden diese Projekte, von denen bereits gesprochen wurde, realisiert?

Alexey Miller: Schon nicht erst ein Jahr realisiert Gazprom das Östliche Gasprogramm. Und natürlich sind die Schlüsselvorhaben die Gaspipeline Power of Siberia sowie die Erschließung und Ausbeutung der Lagerstätten Tschajandinskoje und Kowyktinskoje. Und gegenwärtig stellen wir Rekorde hinsichtlich der täglichen Gaslieferungen nach China über jene vereinbarten Vertragsmengen hinaus, die wir haben. 

Der asiatische und insbesondere der chinesische Markt sind weltweit die dynamischsten Märkte. Und natürlich berücksichtigt der Gazprom-Konzern all dies durch seine strategische Ausrichtung auf ein Betreten dieses Marktes. Das Wichtigste ist, wir haben eine vorbereitete Ressourcenbasis sowohl in Ostsibirien als auch – was ich unterstreichen möchte – in Westsibirien. Und wir können operativ die Liefermengen für den asiatischen Markt in kürzester Frist erhöhen.

Außer der bereits funktionierenden Gaspipeline Power of Siberia, durch die Gas aus der Lagerstätte Tschajandinskoje geliefert wird, werden wir bis zum Jahresende die Lagerstätte Kowyktinskoje in Betrieb nehmen. Und Gas aus dem Feld Kowyktinskoje wird gleichfalls auf den chinesischen Markt gelangen. Durch uns ist ein Vertrag über die Lieferung von Gas aus dem Fernen Osten – im Rahmen des „fernöstlichen Projektes“ – nach China unterzeichnet worden. Und momentan befinden wir uns bereits im Stadium der Ausarbeitung von Planungsunterlagen und Kostenvoranschlägen für das Projekt zum Bau einer Gasleitung über das Territorium der Mongolei aus Russland nach China – für den Bau der Gaspipeline Power of Siberia 2. Dies wird natürlich auch einfach unser Exportpotenzial in der Asien-Richtung vergrößern.

Noch eine Aufgabe ist, die durch den Präsidenten der Russischen Föderation gestellt wurde: das Einheitliche Gasversorgungssystem, das im europäischen Teil des Landes existiert, mit jener Gasinfrastruktur zu verbinden, die gegenwärtig schon im Fernen Osten und in Ostsibirien geschaffen wurde. Dementsprechend nehmen wir den Bau einer Verbindungsleitung in Angriff, die den östlichen und den westlichen Teil des Landes verbindet. Und dies wird natürlich in erster Linie auch die Möglichkeit sowohl für eine Erhöhung der Mengen für einen Gasverbrauch durch industrielle Abnehmer im Landesosten als auch für eine Beschleunigung des Tempos des Anschließens an eine zentrale Gasversorgung in diesen Regionen absichern.

Das Programm zur Entwicklung der Gasversorgung und zum Ausbau der Gasinfrastruktur sowie die Arbeit zu einem sozial ausgerichteten Aufbau der Gasversorgung sind für Gazprom vorrangige. Durch den Präsidenten der Russischen Föderation sind hier deutlich die Prioritäten gesetzt worden. Und ich kann versichern: Was jene Ziele und Aufgaben angeht, die für Gazprom im Rahmen der Programme zur Entwicklung der Gasversorgung und zum Ausbau der Gasinfrastruktur gestellt worden sind, so werden sie absolut alle strikt termingerecht erfüllt werden.

Hervorgehoben sei natürlich auch jener Aspekt, der den zusätzlichen Anschluss von Verbrauchern an eine zentrale Gasversorgung betrifft. Derzeit wird diese Arbeit in einer sehr engen Zusammenarbeit mit der Regierung der Russischen Föderation vorgenommen. Insbesondere mit Herrn Novak, der den Föderalen Stab leitet. Es geht eigentlich um den Nachausbau der Erdgasinfrastruktur für Häuser und Haushalte in jenen Ortschaften, die bereits an eine zentrale Gasversorgung angeschlossen wurden.

Und zweifellos stehen da auch die Fragen, die die Gasanlagen und –ausrüstungen betreffen, worüber Herr Präsident in seinem heutigen Auftritt gesprochen hat. Die Möglichkeit des Erwerbs solcher Gasanlagen und –ausrüstungen ist eine jener Fragen, die derzeit gelöst werden. Und sie wird absolut ganz bestimmt gelöst werden. Es geht um verständliche finanzielle Mechanismen, unter anderem natürlich unter Beteiligung auch von Regionen. Obgleich, wie Herr Präsident betonte, die Regionen unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten besitzen. Letzten Endes werden wir aber selbstverständlich für das ganze Land das Programm für einen sozial orientierten Aufbau der Gasversorgung erfüllen. Wir werden es zu jenen Terminen umsetzen, die uns der Staat stellt. 

Moderatorin: Vielen Dank, Herr Miller.