Vladimir Chirskov

Seit 1978 stellvertretender Minister für den Bau von Betrieben für die Erdöl- und Gasindustrie der UdSSR.

„Sabit Orudzhev mochte keine unnötigen Debatten und war stets zu einem vernünftigen Kompromiss bereit...“

Atempause für das Finale

Selbst bei sehr angespannter Arbeit, wenn es auf die Minute anzukommen schien, konnte Sabit Orudzhev eine Pause einlegen, um die Situation zu entspannen und die Leute „sich verpusten“ zu lassen. Mir ist ein Vorfall in Erinnerung, der sich während einer Besprechung in Igrim ereignet hat. Ich war damals stellvertretender Minister für den Bau von Betrieben für die Erdöl- und Gasindustrie der UdSSR und begleitete Sabit Orudzhev häufig auf seinen Reisen nach Sibirien. An der Besprechung nahmen über fünfzig ortsansässige Chefs teil, es ging dabei um sehr ernsthafte Dinge. Zur selben Zeit fand die Eishockey-Weltmeisterschaft statt, und unsere Sportler spielten im Finale. In Igrim gab es damals noch kein Fernsehen, aber im Zimmer neben dem Sitzungsraum hörten sich ein paar Leute die Livesendung des Spiels im Rundfunk an und teilten hin und wieder seine Zwischenergebnisse auf Zetteln mit. Unter den Anwesenden waren viele Eishockey-Fans. Ich wusste das und schrieb Sabit Orudzhev eine Kurzmitteilung. Er las sie und stand von seinem Platz auf: 

„Genossen, ich möchte euch folgendes mitteilen. Wir entscheiden hier über die Gasversorgung. Diese Frage ist für den Staat sehr wichtig. Es gibt aber noch eine ebenso wichtige spirituelle Frage. Unsere Sportler spielen gerade Eishockey, und bis zum Spielende bleiben noch zehn Minuten. Ich schlage vor, unsere wichtige Besprechung zu unterbrechen und zuzuhören, wie unsere Leute in diesem verantwortungsvollen Spiel siegen werden. Holt das Rundfunkgerät und stellt es auf den Tisch, damit alle zuhören können.“

Nachdem die Reportage zu Ende war, gratulierte der Minister allen Anwesenden zum Sieg der sowjetischen Nationalmannschaft und setzte die Besprechung fort. Die Atmosphäre hatte sich entspannt, und das Gespräch nahm seinen normalen sachlichen Lauf.

Eine Schlacht zwischen Ministerien

Sabit Orudzhev vermochte es, die Interessen der Gasbranche durchzusetzen, ohne anderen Branchen damit Abbruch zu tun. Besonders große Schlachten lieferten sich die Fachministerien, wenn sie den Plan für das kommende Jahr erstellten. Im Staatlichen Planungskomitee wurden Vorschläge aller Ministerien gesammelt. Dabei ist es kein Geheimnis, dass jedes Ministerium seine eigene Wirtschaftspolitik betrieb, die nicht immer mit der Politik anderer Ministerien im Einklang stand. Deshalb wurden mitunter nicht allzu vernünftige Projekte vorgelegt, um sozusagen „auf Nummer sicher zu gehen“.

 
Entscheidungsträger der inländischen Gasindustrie: A. Kortunov, S. Orudzhev, B. Shcherbina, M. Sidorenko
Entscheidungsträger der inländischen Gasindustrie: A. Kortunov, S. Orudzhev, B. Shcherbina, M. Sidorenko

Entscheidungsträger der inländischen Gasindustrie: A. Kortunov, S. Orudzhev, B. Shcherbina, M. Sidorenko

Um diese Projekte endgültig durchzusetzen oder abzulehnen, wurden in der Planungsendphase Entscheidungsträger aus allen Ministerien einberufen. Bei der Diskussion kam es hart auf hart. Es stritten sich hauptsächlich die stellvertretenden Minister, dabei hatten die Minister stets das letzte Wort. Sabit Orudzhev war sich darüber im Klaren, dass Ressortgeist nur schadete, er mochte keine unnötigen Debatten und war stets zu einem vernünftigen Kompromiss bereit.

Am Standort der Verdichterstation Long-Jugan: V. Chirskov, S. Orudzhev, A. Gudz, V. Batazovsky und E. Yakovlev. Verwaltungsgebiet Tjumen, 1979
Am Standort der Verdichterstation Long-Jugan: V. Chirskov, S. Orudzhev, A. Gudz, V. Batazovsky und E. Yakovlev. Verwaltungsgebiet Tjumen, 1979

Am Standort der Verdichterstation Long-Jugan: V. Chirskov, S. Orudzhev, A. Gudz, V. Batazovsky und E. Yakovlev. Verwaltungsgebiet Tjumen, 1979

Am Standort der Verdichterstation Long-Jugan: V. Chirskov, S. Orudzhev, A. Gudz, V. Batazovsky und E. Yakovlev. Verwaltungsgebiet Tjumen, 1979

Zugleich half er, soweit möglich, gern unserem Ministerium, viele geschäftliche Dinge zu meistern. Das Ministerium für den Bau von Betrieben für die Erdöl- und Gasindustrie verfügte über geringere Mittel als das Ministerium für Gasindustrie, deshalb baten wir Letzteres mehrmals um Hilfe. Insbesondere traf dies auf den Bau von Wohnhäusern und anderen Objekten für soziale und kulturelle Zwecke in Lagerstätten und an Pipelines zu. Sabit Orudzhev hatte Verständnis dafür, dass sie alle für Menschen, die dort arbeiteten, gebaut wurden, und Gelder seines Ministeriums waren ihm dafür nicht zu schade. Er half auch dem Ministerium für schweren Maschinenbau, dem Ministerium für elektrotechnische Industrie und anderen Ministerien, die auf die eine oder andere Weise an Gazprom-Programmen beteiligt waren. Er sah ein, dass hinter der Lösung einer jeden einzelnen Frage die Umsetzung eines großen Staatsprogramms stand, das mit der Erschließung neuer Regionen sowie mit einer Steigerung von Erdgasförderung, –speicherung, –verarbeitung und –transport verbunden war. Um dieses Programm umzusetzen, übernahm Sabit Orudzhev zusätzliche Kosten, selbst wenn dabei die Lösung einzelner Fragen seines Ministeriums aufgeschoben werden musste. Dazu waren nicht allzu viele Entscheidungsträger imstande.

Mit Alexey Kosygin in der Region Tjumen
Mit Alexey Kosygin in der Region Tjumen

Mit Alexey Kosygin in der Region Tjumen

Ein Ehrentitel für zwei

Sabit Orudzhev fühlte sich seiner Familie und Menschen, deren persönliche Qualitäten ihm imponierten, verbunden. Er machte aus dieser Verbundenheit kein Hehl: In seinem Arbeitszimmer standen stets Fotos seiner Frau und seiner Töchter. Dort waren auch Fotos von Alexey Kortunov, Valentin Shashin, Boris Shcherbina und anderen.

Als Sabit Orudzhev den Ehrentitel „Held der Sozialistischen Arbeit“ verliehen bekam, rief er seine Frau Fatma an und sagte laut: „Fatma, wir haben beide den Titel ‚Held der Sozialistischen Arbeit“ verliehen bekommen!“ Es war klar, dass Sabit Orudzhev, der täglich eine große selbständige und verantwortungsvolle Arbeit leistete, sich seine Frau nicht ausblenden konnte und deshalb vor allem mit ihr seine Freude teilen wollte.

„Das waren die ersten Anfänge von Nowy Urengoi und der Betriebsvereinigung Urengoiskoje für Erdgasförderung“

Außenlandung

Im September 1973 fand meine erste Reise mit Sabit Orudzhev statt. Wir flogen mit einem Helikopter, der auch Gennady Bogomyakov, den ersten Sekretär des Gebietsparteikomitees von Tjumen, Evgeny Altunin, Leiter der Hauptverwaltung für Gasindustrie, und andere Personen an Bord hatte.

Unser Helikopter landete am 25. September an der Biegung des Flusses Jewo-Jacha in der Nähe vom Wärterhäuschen der Telefonlinie Moskau – Igarka. Obwohl es erst Herbst war, versanken wir bis zu den Knöcheln im Schnee. Wir holten eine Landkarte vor und begannen den Standort für den Bau einer neuen Stadt zu wählen.

Am Entstehungsort von Nowy Urengoi: P. Ivanov, V. Strizhov, V. Chirskov, E. Altunin, G. Bogomyakov, S. Orudzhev, A. Guryev, V. Tyurin, E. Kozlov, N. Bely, V. Batazovsky, G. Shemrayev
Am Entstehungsort von Nowy Urengoi: P. Ivanov, V. Strizhov, V. Chirskov, E. Altunin, G. Bogomyakov, S. Orudzhev, A. Guryev, V. Tyurin, E. Kozlov, N. Bely, V. Batazovsky, G. Shemrayev

Am Entstehungsort von Nowy Urengoi: P. Ivanov, V. Strizhov, V. Chirskov, E. Altunin, G. Bogomyakov, S. Orudzhev, A. Guryev, V. Tyurin, E. Kozlov, N. Bely, V. Batazovsky, G. Shemrayev

Drei Hauptelemente

Sabit Orudzhev war sich allen voran über die Bedeutung dieses Augenblicks im Klaren. Er rief seinen Referenten Nikolai Bely zu sich:

„Hör mal, Nikolai, nimm etwas Moss von dieser Stelle mit und leg es in mein Arbeitszimmer. Es soll daran erinnern, was an der Stelle der Stadt war, die wir zweifelsohne bauen werden. Aber wir müssen dieses außergewöhnliche Ereignis auch noch auf eine andere Weise begehen. Holt doch eine Leuchtpistole.“

Aus dem Helikopter wurde eine Leuchtpistole geholt, und Sabit Orudzhev gab ein paar Luftschüsse ab, dann ließ er Gennady Bogomyakov schießen.

„Irgendetwas fehlt noch. Offensichtlich muss dieses Ereignis begossen werden“, beschloss Sabit Orudzhev. „Holt mal Cognac.“

Es wurde Cognac geholt, alle bekamen einen Schluck eingegossen, kamen aber nicht dazu, ihn zu trinken.

„Wie kann man so eine große Sache wie die Erschließung einer großen Lagerstätte und den Bau einer Stadt ohne Frau begehen“, stellte Sabit Orudzhev weitere Überlegungen an. „Holt die Stewardess.“

Wir holten die Stewardess. Sie hatte aber nur Halbschuhe an. So mussten wir sie auf dem Arm tragen. Wir stampften einen Platz frei und reichten ihr ein Glas.

„Nun ist alles in Ordnung. So trinken wir auf die Entstehung einer neuen Stadt auf unserer Landkarte“, verkündete Sabit Orudzhev feierlich. Das waren die ersten Anfänge von Nowy Urengoi und der Betriebsvereinigung Urengoiskoje für Erdgasförderung, die später den Namen von Sabit Orudzhev erhielt.

Während einer Auslandsreise
Während einer Auslandsreise

Während einer Auslandsreise