Der Ostvektor
25. September 2014
Der Beitrag erschien im Heft Nr. 10 der Gazprom Korporationszeitschrift
Staatliche Ansichtsweise
Auf die Fragen des Magazins antwortet der stellvertretende Leiter des Departments Projektmanagement und Leiter der Verwaltung Koordinierung der Ostprojekte der ОАО Gazprom Viktor Timoshilov.
Herr Timoshilov, wie bewerten Sie die wichtigsten Ergebnisse der Realisierung des Östlichen Gasprogramms?
Das Programm für den Aufbau eines einheitlichen Systems für Gasförderung, Gastransport und Gasversorgung in Ostsibirien und im russischen Fernen Osten unter Beachtung möglicher Gasexporte auf die Märkte Chinas und anderer Länder der asiatisch-pazifischen Region wurde bekanntlich vom Industrie- und Energieministerium der Russischen Föderation im September 2007 verabschiedet. Ich möchte daran erinnern, dass damals die aktive Realisierungsphase der Projekte Sachalin-I und Sachalin-II auf der Basis von Production Sharing in vollem Gange war und Gas in dosierten Mengen in die Regionen Chabarowsk und Krasnojarsk sowie nach dem Verwaltungsgebiet Sachalin und nach Jakutien geliefert wurde. Dabei lassen sich diese Production Sharing Projekte eigentlich schwer als vollwertige Projekte des Östlichen Gasprogramms bezeichnen; es sind dies, wie es sich aus den Production Sharing Agreements ergibt, vollkommen selbständige Projekte, die im Wesentlichen die Ausfuhr von Kohlenwasserstoffen bezwecken.
Richtige Orientierungspunkte
Mit dem Östlichen Gasprogramm wurde es möglich, die wichtigsten Entwicklungsziele unseres Industriezweigs bis 2030 zu definieren, die Entwicklung der Gasmärkte im Inland wie in Ländern der asiatisch-pazifischen Region zu prognostizieren und Klarheit über die Reihenfolge der Erschließung der Erdgasressourcen dieser Region zu schaffen. Rückblickend können wir mit absoluter Gewissheit konstatieren, dass sich die wichtigsten strategischen Ideen des Östlichen Gasprogramms in ihrer Mehrheit als zutreffend erwiesen. So war die führende Stellung des Gasförderungszentrums Sachalin in der ersten Realisierungsphase des Programms richtig definiert. Es wurde die Aufgabe gestellt, die Ressourcenbasis im Sachalin-III Projekt zügig auszubauen, die durch die Gazprom mit der Zunahme der Vorräte im Gaskondensat-Vorkommen Kirinskoje und der Erkundung des Gaskondensat-Vorkommens Juschno-Kirinskoje auch umgesetzt wurde. Die anvisierte Entwicklung der Gaslieferungen von Sachalin in die Regionen Primorje und Chabarowsk wurde durch den Bau der Ferngasleitung Sachalin – Chabarowsk – Wladiwostok gewährleistet.
In der zweiten Umsetzungsphase des Programms sollte der Aufbau der Gasförderungszentren Jakutsk und Irkutsk auf der Basis der Lagerstätten Tschajandinskoje und Kowyktinskoje anlaufen. Pipelinelieferungen von Erdgas nach angrenzenden Ländern (vor allem China) sollten dabei gerade auf der Grundlage vorrangiger Erschließung des Vorkommens Tschajandinskoje in Jakutien mit nachfolgender Einbeziehung des Gaskondensat-Vorkommens Kowyktinskoje organisiert werden. Dieses Vorhaben soll nun in den allernächsten Jahren im Rahmen des durch die Gazprom im Mai 2014 unterzeichneten Vertrags über Gaslieferungen nach der VR China umgesetzt werden.
Das verabschiedete Programm gestattete, die Entwicklung unseres Industriezweigs im Osten eben als System, auf der Basis jener Grundsätze zu planen, die sich bereits in Westsibirien und im europäischen Teil unseres Landes bewährt hatten, also durch den Aufbau eines einheitlichen Systems der Gasversorgung mit der Perspektive der Anbindung an das bestehende Einheitliche Gasversorgungssystem Russlands. Dieser Grundsatz gilt auch heute, denn nach der Inbetriebnahme der ersten Ausbaustufe der Power of Siberia Pipeline bis Blagoweschtschensk wird das zentrale Element des Einheitlichen Gasversorgungssystems Russlands vorhanden sein, das in langfristiger Perspektive (beim Vorhandensein erforderlicher Marktvoraussetzungen) sich in Richtung Gastransportsystem Sachalin–Chabarowsk–Wladiwostok wie auch zum Einheitlichen Gasversorgungssystem hin entwickeln kann, falls Lagerstätten in der Region Krasnojarsk erschlossen werden und auf dem Territorium dieser Region ein System von Ferngasleitungen gebaut wird. Die Möglichkeit von Gaslieferungen aus Ostsibirien in zwei strategische Richtungen – die westliche und die östliche – wurde erstmals gerade in diesem Dokument begründet.
Die Erdgasbranche erhielt zum ersten Mal einen klaren Orientierungspunkt, der ihr zeigte, wie sie sich vorwärts bewegen sollte und was zu tun war. Nichtsdestotrotz blieben viele Positionen aus den im Östlichen Gasprogramm angekündigten Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken und Gestaltung von Voraussetzungen für dessen Realisierung, mit denen verschiedene Ministerien und andere Behörden beauftragt wurden, unerfüllt. Als hinderlich erwiesen sich der ressortgebundene Charakter des Programms und die fehlende Bevollmächtigung des russischen Energieministeriums, anderen Exekutivorganen ernsthafte Aufträge zur Realisierung dieses Dokuments zu erteilen. Die Aufgabe einer Erhöhung des Status des Östlichen Gasprogramms und die Notwendigkeit regelmäßiger Prüfung des Ablaufs seiner Umsetzung (aber keiner Revision!) in den Sitzungen der Regierungskommissionen für den Brennstoff- und Energiekomplex bzw. für Fragen der sozialökonomischen Entwicklung des russischen Fernen Ostens und der Baikal-Region bleibt auch heute aktuell, und die Hauptelemente dieses Programms sollen den Status prioritärer nationaler Infrastrukturprojekte und regionaler Investitionsprojekte erlangen.
Gasifizierung
Es liegt inzwischen auf der Hand, dass mit der Formulierung und dem rechtzeitigen Start der Realisierung des Östlichen Gasprogramms die notwendigen Voraussetzungen für die Unterzeichnung des „Gasvertrags des Jahrhunderts“ über die Lieferung von Pipelinegas aus Russland nach China geschaffen wurden. Dieser Umstand verleiht der Umsetzung des Programms einen neuen Impuls und gestattet ferner, die Gasifizierung der Regionen entlang der Ferngasleitung Power of Siberia in Angriff zu nehmen. Bislang konzentrierten sich die größten Anstrengungen der Gazprom bezüglich der Gasifizierung östlicher Regionen der Russischen Föderation auf den Regionen Kamtschatka, Primorje und Chabarowsk sowie auf dem Verwaltungsgebiet Sachalin, wo Fünfjahresprogramme der Gasifizierung verabschiedet wurden. Ihre Umsetzung zeitigte bereits positive Resultate – der Gasverbrauch in diesen Regionen vergrößerte sich um 120 Prozent, und zwar von 2 Milliarden Kubikmeter 2008 auf 4,4 Milliarden Kubikmeter 2013, und der summarische Gasverbrauch auf dem Territorium Ostsibiriens und des russischen Fernen Ostens erreichte 12,3 Milliarden Kubikmeter, was allerdings weniger ist als das für dieses Jahr anvisierte Ziel von 16,1 Milliarden Kubikmeter.
Die Umsetzung des Östlichen Gasprogramms brachte gute Resultate in Bezug auf den Umweltschutz. So verringerte sich allein durch die Umstellung des Heizkraftwerks (TEZ-1) von Juschno-Sachalinsk auf Gasbetrieb die Emission von Schadstoffen in die Atmosphäre um 78 Prozent, und zwar bei Feststoffteilchen um 82 Prozent, bei Schwefeloxid um 81 Prozent, bei Stickstoffoxiden um 62 Prozent und bei Heizölasche um 51 Prozent. In der Summe verringerten sich die Emissionen in der Region Chabarowsk um 6.500 Tonnen, in der Region Primorje um 23.300 Tonnen und auf Kamtschatka um 2.500 Tonnen.
Die größten Gasverbraucher im Osten unseres Landes sind Objekte der Elektroenergiewirtschaft in Großstädten, die Bevölkerung sowie die Betriebe des kommunalen Sektors. Die Gasifizierung der Region bewirkte bislang leider keine qualitativen Wandlungen im Wirtschaftsbereich und keine Entstehung neuer Industriekapazitäten. Eine der Hauptursachen der gegenüber den ursprünglichen Plänen langsameren Entwicklung des Gasmarktes in der Region ist das Fehlen gebührender Anreize für die Produzenten, Gas an russische Verbraucher zu liefern. Dies liegt an den niedrigen regulierten Gaspreisen bei beachtlichen Investitionen in die Erschließung weit entfernter Lagerstätten, in den Bau einer ausgedehnten Gastransport-Infrastruktur und die Vorbereitung der Konsumenten auf die Übernahme von Gas. Unter den Konditionen des russischen Fernen Ostens sind Maßnahmen zur Gasifizierung von vornherein verlustbringend, und die heutigen Tarife decken die Kosten für deren Realisierung nicht ab.
Vieles hängt vom Willen des Staates ab, von seiner Entschlossenheit, für geschäftliche Aktivitäten im Osten unseres Landes richtig attraktive Voraussetzungen zu schaffen, und zwar nicht allein in der Öl- und Gasbranche. Es geht um größtmögliche Begünstigung der Entwicklung des realen Wirtschaftssektors in der Region, um eine neue Industrialisierung, wodurch auch die Grundlage für die zukünftige Erweiterung der Steuerbasis geschaffen würde.
Dieses systematische Problem erfordert eine Lösung sowohl durch konsequente Optimierung der Investitions- und Betriebskosten der Unternehmen bei der Realisierung von Investitionsprojekten als auch durch günstige Besteuerung Erdgas fördernder und transportierender Unternehmen. Dieses Problem ist heute unter anderem auf Kamtschatka akut.
Vieles hängt vom Willen des Staates ab, von seiner Entschlossenheit, für geschäftliche Aktivitäten im Osten unseres Landes echt attraktive Voraussetzungen zu schaffen, und zwar nicht allein in der Öl- und Gasbranche. Es geht um größtmögliche Begünstigung der Entwicklung des realen Wirtschaftssektors in der Region, um eine neue Industrialisierung, wodurch auch die Grundlage für die zukünftige Erweiterung der Steuerbasis geschaffen würde.
Das Energieministerium der Russischen Föderation initiiert gegenwärtig eine Revision des Östlichen Gasprogramms sowie des Generalschemas der Entwicklung der Gasindustrie. Was halten Sie davon?
Ich bin nicht in der Lage, das Generalschema der Entwicklung unserer Industrie als Ganzes zu kommentieren. Zum Östlichen Gasprogramm kann ich sagen, dass dafür heute keine aktuelle Notwendigkeit vorliegt. Das Programm bleibt als Dokument der strategischen Ebene, wie bereits gesagt wurde, zutreffend, es kommt lediglich darauf an, dieses Programm konsequent in die Tat umzusetzen. Das Östliche Gasprogramm ist kein Föderales Zielprogramm, es sieht keine staatliche Finanzierung vor und enthält keine straffe Bindung an streng fixierte Termine konkreter Projekte. Es definiert die Hauptrichtung unserer Vorwärtsbewegung und deren Phasen. Es ist heute keineswegs erforderlich, eine wesentliche Korrektur bzw. Revision dieses Programms zu fordern – die Entwicklungsstrategie der Branche im Osten bleibt unverändert. Wir verstehen es so, dass eine Revision des Programms durch unabhängige Gasproduzenten initiiert wird, die um jeden Preis ihre eigenen Gasexporte durch Rohrleitungen organisieren wollen. Deswegen ist heute keine neue Strategie, sondern eine „feine Justierung“, eine Koordinierung der Aktivitäten aller Teilnehmer des Östlichen Gasprogramms durch den Staat erforderlich.
Was kann der Staat aber in der neuen Phase der Umsetzung des Östlichen Gasprogramms genau tun?
Notwendig ist eine wesentliche Verbesserung der Steuergesetzgebung auf föderaler wie regionaler Ebene unter Beachtung der schwierigen Natur-, Klima- und geologischen Bedingungen der Gewinnung von Kohlenwasserstoffen im Osten Russlands sowie der großen Entfernungen zu den Lagerstätten und der häufig fehlenden Verkehrs- und sozialen Infrastruktur.
Es sind eben die Beschäftigten der Erdöl- und Erdgasindustrie, die als erste in schwer zugängliche Regionen vorstoßen und sich als Triebkraft ihres wirtschaftlichen Wachstums bewähren, indem sie die örtlichen Märkte für Auftragsleistungen, Arbeitskräfte, Produktion von Baustoffen usw. entwickeln. Deshalb schiebt das Fehlen ausreichender Vergünstigungen für gewinnbringende Gaslieferungen auf den Binnenmarkt eine Reihe von Öl- und Gasprojekten auf und spornt unabhängige Produzenten dazu an, sich allein am Export als einzige Methode der Monetarisierung der Gasvorräte zu orientieren und unüberlegt die Zerstörung des einheitlichen Kanals für den Export von russischem Erdgas durch Rohrleitungen zu fordern. Somit führen Verzögerungen bei der Ausprägung von Konditionen wirtschaftlicher Tätigkeit, die die Eigenart der Gasbranche in der Fernöstlichen Region berücksichtigen würden, dazu, dass die Entwicklung des Binnenmarkts für Erdgas zur Geisel von Exportprojekten wird. Wir erkennen die Relevanz der Gasexporte als wichtigste Lokomotive der Gasbranche im Osten zwar an, doch es sollte trotzdem festgestellt werden, dass beschleunigter Ausbau des Binnenmarktes für Gas und die Entstehung neuer moderner Gas verbrauchender Produktionskapazitäten für nachhaltige Entwicklung der Region als Ganzes sogar von größerer Relevanz ist.
Export und Binnenmarkt
Ich will einmal mehr auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des einheitlichen Pipeline-Exportkanals für russisches Gas im Osten hinweisen. Die Aufhebung des entsprechenden Gesetzes wurde von einem unabhängigen Gasproduzenten in der Sitzung der Präsidentenkommission für den Brennstoff- und Energiekomplex im Juni dieses Jahres in Astrachan gefordert. Mich verblüffte die Unterstützung, die dieser Vorschlag sofort vom russischen Energieministerium erhielt. In diesem Zusammenhang sollte einmal mehr unterstrichen werden, dass die gesamte Menge, die durch die chinesische Seite in dem zwischen Gazprom und CNPC unterschriebenen Vertrag über die Lieferung von 38 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr angekündigt wurde, über die gesamte 30-jährige Periode aus den Vorräten der Vorkommen Tschajandinskoje und Kowyktinskoje, für deren Nutzung die OAO Gazprom die Lizenzen besitzt, garantiert abgedeckt werden kann. Gazprom könnte auch mehr Gas liefern, aber die chinesischen Partner halten diese Menge zunächst einmal für ausreichend. Wenn unabhängige Produzenten außerdem behaupten, in Ostsibirien und im russischen Fernen Osten würden sich unter Einbeziehung ihrer Lagerstätten bis zu 200 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr fördern lassen, verschweigen sie, dass in dieser Prognose der Rentabilitätsfaktor der Erschließung weit entfernter Lagerstätten und auch der Umstand ignoriert wird, dass diese Lagerstätten kleiner und über große Flächen verstreut sind, dass für die meisten dieser Vorkommen genehmigte Planunterlagen für deren Nutzung fehlen und die Kosten des Baus langer Anschlusspipelines nicht einmal annähernd bewertet wurden. Dabei sind es ja allein zwischen dem Öl- und Gaskondensat-Vorkommen Jurubtscheno-Tochomskoje und dem Vorkommen Tschajandinskoje rund 900 Kilometer. Die Prognosen für den Gasverbrauch in Ländern der asiatisch-pazifischen Region und im östlichen Russland werden viel zu hoch angesetzt. Ich halte diese Vorgehensweise für kurzsichtig: Sie kann im Endergebnis nicht nur zur Entstehung unrentabler Projekte, sondern auch zu einem Rückgang der russischen Erlöse aus Gasexporten führen.
Es sei daran erinnert, dass die Gaslieferungen aus westsibirischen Lagerstätten gerade mit den Riesenvorkommen Medweschje und dann auch Urengojskoje und Jamburgskoje, zu jener Zeit Basisvorkommen unseres Industriezweigs, begonnen hatten. Dadurch konnten die Investitionen optimiert, die spezifischen Kosten gesenkt und die Exporte durch ausreichende Gasreserven wie auch hohe Sicherheit der Lieferungen gewährleistet werden. Erst in der darauffolgenden Phase – mit fortschreitender Erschöpfung der Basisvorkommen und sinkender Förderung aus diesen Lagerstätten – wurden nach und nach Satellitenvorkommen einbezogen. Dies ist die Weltpraxis, die auf wirtschaftlichen Erwägungen beruht. Ebenso werden auch die Gaslieferungen in östliche Richtung organisiert. Dies wurde bereits im Östlichen Gasprogramm begründet, das eben von der Notwendigkeit einer zentralisierten und systematischen Erschließung der Märkte der asiatisch-pazifischen Region für russisches Gas unter Beachtung der Erfahrungen unserer Aktivitäten in Westeuropa ausging. Viel besser als von unseren unabhängigen Produzenten wird dies in China verstanden, wo für den Import von russischem Pipelinegas eine zentrale Abwicklungsstelle im Namen der China National Petroleum Corporation definiert wurde.
Im Östlichen Gasprogramm finden Themen der Verarbeitung von Erdgas und des Vertriebs von Helium aus Russland auf dem Weltmarkt große Beachtung. Gaschemiekapazitäten sollten im Wesentlichen in der Zeit nach 2020 aufgebaut werden, und die Schaffung neuer Gasverarbeitungswerke war an die Termine der Inbetriebnahme der Basisvorkommen gekoppelt. Die für heute getroffenen Entscheidungen sehen den Bau eines Gasverarbeitungs- und Heliumwerks im Verwaltungsgebiet Amur vor, das durch die Gazprom bereits geplant wird. Dieses Werk wird durch die Pipeline Power of Siberia Gas aus den Vorkommen Tschajandinskoje und Kowyktinskoje beziehen. In diesem Gasverarbeitungs- und Heliumwerk sollen Stickstoff-Heliumkonzentrat, Ethan sowie Propan-Butan-Fraktionen separiert werden. Somit werden aus der Gesamtmenge von Exportgas wertvolle Komponenten auf russischem Territorium gewonnen werden, wodurch die Gazprom einen wichtigen Beitrag zur sozialökonomischen Entwicklung der Fernöstlichen Region leistet. Ethan aus diesem Werk wird an den Gaschemiekomplex von SIBUR geliefert und dort weiterverarbeitet werden. Basisprodukt des Gaschemiekomplexes wird Polyethylen sein, doch später ist auch eine Erweiterung der Produktpalette möglich. Das Heliumwerk wird flüssiges Verkaufshelium produzieren.
Rosneft plant den Bau einer Ölraffinerie im Raum Nachodka und in der Perspektive die Produktion von Kunst- und Aromastoffen durch Verarbeitung von Naphtha und verflüssigtem Kohlenwasserstoffgas aus Atschinsk und Komsomolsk am Amur. Pläne zur Entwicklung der Methanolproduktion und der Agrochemie im russischen Fernen Osten werden durch die National Chemical Group entwickelt. Im Verwaltungsgebiet Irkutsk ist die Realisierung lokaler Chemieprojekte auf der Basis der Verarbeitung von Ethan aus dem Vorkommen Kowyktinskoje und von verflüssigtem Kohlenwasserstoffgas der Gruppe von nördlichen Lagerstätten möglich. Die Standortwahl für derartige Betriebe muss sehr sorgfältig begründet werden, und zwar unter Beachtung des Vorhandenseins bzw. Fehlens von Gasressourcen, eines Absatzmarktes für einschlägige Produkte und technologischer Potentiale russischer Ausrüstungshersteller. Vorerst sehen wir eine Reihe von Risiken und Ungewissheiten, die mit der Realisierung dieser Projekte verbunden sind.
Im Falle einer Realisierung des Fernöstlichen LNG Projekts im Rahmen des Production Sharing Agreements Sachalin-I wird der Staat dem internationalen Konsortium Exxon Neftegas Limited sämtliche Kosten dieses Bauvorhabens kompensieren müssen, die nach Schätzungen der Rosneft 12 bis 15 Milliarden Dollar betragen werden. Auf der Basis des bestehenden LNG-Werkes des Sachalin-II Projekts können die Kosten der Organisation zusätzlicher LNG-Produktion wesentlich geringer sein.
Erforderliche Koordinierung
Könnten Sie ausführlicher auf Probleme der LNG-Produktion im russischen Fernen Osten eingehen?
Da sich der Gasmarkt der asiatisch-pazifischen Region in bedeutendem Maße auf der Basis von LNG entwickelt, realisiert die Gazprom das Wladiwostok LNG Projekt. Darüber hinaus prüft die Gesellschaft Sakhalin Energy die Möglichkeit einer Erweiterung des bestehenden LNG-Werkes im Rahmen des Projekts Sachalin-II. Rosneft verkündete ihrerseits die Absicht, das Fernöstliche LNG Projekt auf Sachalin zu realisieren; diese Pläne der Rosneft wurden von der Aufhebung des Monopolrechts der Gazprom auf die Ausfuhr von Gas in verflüssigter Form und entsprechender Novellierung des Gesetzes über Gasexport begleitet.
Ich muss unterstreichen, dass die eigene Ressourcenbasis des Sachalin-II Projekts für die Installierung einer weiteren Produktionsstrecke in diesem Werk noch nicht ausreicht, obwohl die Nacherkundung der Vorkommen dieses Projekts fortdauert, und im Sachalin-I Projekt die eigenen Ressourcen für zwei Ausbaustufen des neuen Werkes nicht ausreichend sind. Die Möglichkeit eines Synergie-Effekts durch Koordinierung beider Projekte liegt also vor. Billiger und schneller lässt sich das auf der Grundlage des bereits funktionierenden Werkes im Sachalin-II Projekt bewältigen. Die Synergie wird noch augenscheinlicher, wenn wir bedenken, dass beide Projekte auf der Basis von Production Sharing Agreements realisiert werden. Nicht unwichtig ist auch, dass der Staat im Falle einer Realisierung des Fernöstlichen LNG Projekts im Rahmen des Production Sharing Agreements Sachalin-I dem internationalen Konsortium Exxon Neftegas Limited sämtliche Kosten dieses Bauvorhabens wird kompensieren müssen, die nach Schätzungen der Rosneft 12 bis 15 Milliarden Dollar betragen werden. Es sei daran erinnert, dass der Anteil der Rosneft am Sachalin-I Projekt lediglich 20 Prozent beträgt und die Möglichkeiten dieser Gesellschaft im Projekt durch die Größe ihres Anteils limitiert sind. Auf der Basis des bestehenden LNG-Werkes des Sachalin-II Projekts können die Kosten der Organisation zusätzlicher LNG-Produktion wesentlich geringer sein.
Wir haben dem Betreiber des Sachalin-I Projekts angeboten, das zukünftige Gas an Gazprom oder an den Betreiber des Sachalin-II Projekts zu Marktpreisen zu verkaufen, um unnötigen Überverbrauch an Mitteln beim Bau eines neuen Werks auf grüner Wiese, und dies auch noch unter Verwendung öffentlicher Mittel für den Ausbau der externen Infrastruktur, zu vermeiden. Die angebotenen Marktpreise für den Kauf ermöglichen dem Betreiber, eine Investitionsentscheidung für die Entwicklung der Gas-Phase des Sachalin-I Projekts zu treffen. Dabei würden die erforderlichen Gasmengen für die Auslastung und Weiterentwicklung des bereits funktionierenden Projekts Sachalin-II, an dem der russische Konzern das Kontrollpaket besitzt, gewonnen werden, was seinerseits gestatten würde, in größtmöglichem Maße die bereits geschaffenen und durch die russische Seite bezahlten Kapazitäten der LNG-Produktion zu nutzen und wettbewerbsfähigere Produkte für den Vertrieb auf dem Markt zu erhalten als beim Bau eines separaten LNG-Werkes im Projekt Sachalin-I von Null an. Einen Teil der gekauften Gasmengen (im Rahmen der einheitlichen Sachalin-Gas-Balance) könnte die Gazprom dabei an den Erdölchemie-Komplex der Rosneft in der Region Primorje liefern. Jetzt ist eine paradoxe Situation entstanden. Rosneft will ihr zur Verfügung stehendes Sachalin- Gas, darunter aus dem Sachalin-I Projekt, zur Versorgung ihrer Far East Petrochemical Company nicht verwenden, sondern fordert Gas von Gazprom an. Ihr eigenes Gas will aber die Gesellschaft in vollem Umfang exportieren.
Rosneft will ihr zur Verfügung stehendes Sachalin-Gas, darunter aus dem Sachalin-I Projekt, zur Versorgung ihrer Far East Petrochemical Company nicht verwenden, sondern fordert Gas von Gazprom an. Ihr eigenes Gas will aber die Gesellschaft in vollem Umfang exportieren.
Offenkundig ist das Fehlen angemessener staatlicher Koordinierung bei der Umsetzung der Sachalin-Projekte, was überschüssige Kosten beim Bau einer praktisch duplizierenden Infrastruktur verursachen kann, die aus dem russischen Haushalt kompensiert werden müssen. Kompromisslösungen, die den Production Sharing Modus beider Projekte mit ihren jeweiligen Besonderheiten berücksichtigen, sind indes durch guten Willen der involvierten Parteien und professionelles Vorgehen des zuständigen Ministeriums durchaus möglich.
Dieses Beispiel beweist anschaulich die Notwendigkeit einer konsolidierenden Rolle der Gazprom als von der Regierung der Russischen Föderation bestellter Koordinator der Aktivitäten zur Umsetzung des Östlichen Gasprogramms. Die Gazprom ist in der Tat in der Lage, als Aggregator der auf Sachalin geförderten Gasmengen zwecks ihrer maximal wirksamen Verteilung auf dem Binnen- und dem Außenmarkt aus der Sicht der Minimierung der Gesamtkosten und der Erzielung von Kompromisslösungen durch die Teilnehmer der Sachalin-Projekte zu agieren. Das alles veranlasst uns dazu, uns in Erinnerung zu rufen, was bei der Liberalisierung des LNG-Exports gesagt wurde, da es geheißen hatte, das Energieministerium würde effektive operative Kontrolle und die Funktion der Koordinierung aller LNG-Projekte zwecks Verhinderung ihrer wechselseitigen negativen Beeinflussung für sich behalten. Wie wir sehen, ist eine solche Koordinierung bis jetzt nicht gewährleistet.
Das Projekt Wladiwostok LNG wird auf der Ressourcenbasis der Lagerstätten Kirinskoje und Juschno-Kirinskoje des Sachalin-III Projekts realisiert werden, wobei Gas aus diesen Vorkommen teilweise für die Versorgung der Bevölkerung , die Energiewirtschaft und Belange des kommunalen Sektors der Regionen Chabarowsk und Primorje entlang der Pipeline Sachalin–Chabarowsk–Wladiwostok verwendet werden soll.
Unabhängige Produzenten sollten an der Gasifizierung der östlichen Regionen ebenfalls teilnehmen, und zwar erst recht, wenn es um Gaslieferungen für deren eigenen exportorientierten Objekte wie etwa die Far East Petrochemical Company geht. Ein großes Potential für die Mitwirkung unabhängiger Produzenten an der Gasifizierung besteht im Verwaltungsgebiet Irkutsk, in der Republik Sacha (Jakutien) und ganz besonders in der Verwaltungsregion Krasnojarsk. Rosneft ist einfach verpflichtet, die Versorgung der Verbraucher in der Region Krasnojarsk sicherzustellen. Dort fördert diese Gesellschaft bereits große Mengen an Erdöl und plant die Inbetriebnahme neuer Öl- und Gasvorkommen, und bei der Erschließung des Vorkommens Jurubtscheno-Tochomskoje wird Begleitgas und Gas aus Gaskappen anfallen. Daraus ergeben sich objektive Möglichkeiten für die Gasifizierung südlicher Territorien der Verwaltungsregion Krasnojarsk sowie der Republiken Chakassien und Tuwa durch die Rosneft.
Heute besteht akuter Bedarf an professioneller und objektiver Behandlung von Aufgaben der staatlichen Verwaltung unseres Industriezweiges im Osten. Es darf keine unüberlegten und einseitigen Entscheidungen zugunsten dieser oder jener Unternehmen geben. Die unternommenen Schritte müssen mit allen Teilnehmern des Östlichen Gasprogramms diskutiert, sorgfältig geprüft und durchgerechnet werden. Entscheidungen dürfen nicht auf der Basis durch nichts begründeter Gasressourcen, beim Fehlen genehmigter Pläne zur Erschließung von Lagerstätten und unter Ignorierung objektiver Markttendenzen im In- und Ausland getroffen werden, die heute die Mobilisierung aller Reserven zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Erdgas im Inland sowie auf asiatischen Märkten erfordern.
Wie bewerten Sie die mögliche Einwirkung der Sanktionen der USA und der EU auf die Realisierung des Östlichen Gasprogramms?
Vor allem sollte die Richtigkeit unseres ostwärts orientierten strategischen Kurses, der im Östlichen Gasprogramm definiert ist, konstatiert werden. Wir finden in Asien nicht nur einen neuen Markt für den Absatz von Pipelinegas und LNG, sondern auch einen neuen Finanzmarkt, die Möglichkeit der Gewinnung lokaler, darunter auch chinesischer, Unternehmen für die Lieferung einiger Arten von technologischen Ausrüstungen und Bereitstellung von Bauleistungen auf Tenderbasis. Die Prozesse der Ablösung von Importen und Lokalisierung der Produktion für die Belange der Öl- und Gasindustrie im Osten Russlands, darunter im Schiffbau, werden an Tempo gewinnen. Das erste Projekt dieser Art wird in der Verwaltungsregion Primorje realisiert. Schneller verlaufen wird auch der Prozess der Gründung und Entwicklung eigener Bohrunternehmen für die Arbeit auf fernöstlichem Schelf. Auf Gasmärkten der asiatisch-pazifischen Region gibt es genug Länder, die gegenseitig vorteilhafte freundschaftliche Beziehungen zu Russland fördern. Gerade diese Länder, darunter China, Indien und Vietnam, repräsentieren die am schnellsten wachsenden Wirtschaften dieser Region und der Welt. Deswegen können diese Sanktionen, auch wenn wir einen gewissen negativen Einfluss in der Anfangsphase nicht leugnen, aus der Sicht der Umsetzung des Östlichen Gasprogramms als Ganzes unsere weiteren Aktivitäten zur Realisierung der Aufgaben aus diesem Dokument nicht beeinträchtigen.